Seite:Hermann von Bezzel - Was unser Herr Präsident am Feste der Reformation seiner Kirche zu sagen hat.pdf/7

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Gutenberg viel genannt worden. Aber Luther hat Größeres erfunden. Propheten groß und Patriarchen hoch, Heilige und Helden, ihnen allen voran Christum, hat er deutsch und deutlich sprechen lassen und unserem Volke seine Bibel von der Kette, das Erfurter „Rote Buch“ aus dem Verließ genommen, des sollen wir alle froh sein, daß ein Eroberer mit friedsamen Waffen, ein Entdecker mit der Weisheit, die von oben ist, ein Erfinder in tausendfacher und viel tausendmal gesegneter Kunst unser Führer geworden ist.

 Nicht an ihn wollen wir denken, er schüttelt unmutig das Haupt, wenn er Menschenvergötterung und Menschenkultus verspürt und empfängt, sondern an sein Werk. „Nicht Euch, sondern Euere Werke meint und will der Herr“, sagt der alte Schriftausleger zu Matth. 5, 16 – „die Euch das Wort Gottes gesagt haben“ in seiner unveralteten Altertümlichkeit, in seiner schlichten Größe und heilsamen Schlichtheit, in dem Reichtum, der dem Weisesten Geheimnisse aufgibt und den Ärmsten erbarmend die Not wendet. Das Wort Gottes ist nicht eine starre, kalte Größe, in Hoheit und Weltferne übermenschlicher Unerfaßlichkeit kunstvoll geprägt, voll neuerwachter Schmerzen und neues Leid gebärend, keine hoch über Niederung und Nacht einsam ziehende Lichtflut, da niemand zukommen kann. Liebe hat es ersonnen, Barmherzigkeit gesprochen, Treue geborgen und Segen es bewahrt. Das ist das Wort, das unter uns verkündigt ist. Jahrhunderte haben an seinen stillen Quellen sich gelabt, sind vorübergezogen, segnend und dankend, und der Quell rauscht und rieselt weiter, Labung gebend, Freude spendend, Leben schenkend. Das Wort Gottes sagen – ein kurzes und ein langes, ein kleines und ein großes, kein und alles Werk: Gelobt sei Gott, der dem Worte den Geist geliehen und gelassen, dem Geist das Wort zum Gefäß gestiftet hat, daß im goldenen Bibelkelch Trank für alle, Friede und Seligkeit zu finden ist.

 Wir kennen alle Ausstellungen an Luthers Bild, seine Schwächen leugnen wir nicht und lieben sie, seine Irrungen verkennen wir nicht und ehren sie, seinen Widersprüchen stehen wir nicht mäkelnd und bemängelnd entgegen, sondern nehmen den ganzen, vollen, echten Menschen tief in Herz und Haus und Gewissen: Der Herr segne Dich für Alles, was Du Deinem, Seinem Volke getan hast. Er vergelte Dir Führertreue, Hirtensorge, Evangelistenwerk. Er hat aus Sündentiefen, die er in einsamer Zelle, auf dem Lehrstuhl, in weiter Fahrt erschaute und bebend erkannte, den Weg zur Heimat, Christum, Seine Leutseligkeit, Sein gnädiges Erbarmen erschaut, die Heimat dem Einzelnen und der Kirche gezeigt. Wir gedenken Luthers, der uns so viel gegeben hat, über ihm aber des Herrn, der uns in Seinem Knecht so Großes hat schenken wollen.