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wollen, in der völligen, schriftgemäßen Anerkennung Jesu Christi, seines im Wunder anhebenden Erdenlebens, seines sündlosen Erdenwandels, seiner scheinbaren Zernichtung und wirklichen Verherrlichung, seiner Erhöhung und aus ihr sich vernötigenden Wiederkunft die einheitliche und einigende Grundanschauung besitzt. Es ist unbillig, sich selbst nur theologische, nicht religiöse Andersart zuzuschreiben, bei den Vertretern aber des alten Glaubens religiöse Differenzierung in jeder theologischen zu statuieren. Es mag z. B. über die Art der Inspiration Verschiedenheit der Meinungen bestehen: Hauptsache bleibt, daß sie selbst in ihrer Einzigartigkeit als das die heilige Schrift von allen literarischen Zeugnissen absondernde Merkmal anerkannt wird. Es mag über Einwirkung und Einwohnung des heiligen Geistes so oder anders gedacht werden, was ihre Vermittlung anlangt, – die Persönlichkeit des schöpferisch tätigen, in der durch den πρῶτος παράκλητος (Joh. 14, 16) geheiligten Knechtsgestalt, durchs Wort und Sakrament, diese „geheiligten Unscheinbarkeiten“ wirksam sich bezeigenden Gottesgeistes wird nicht geleugnet.

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 Joh. 8, 32 verheißt der Wahrhaftige dem μένειν ἐν τῷ λογῳ τῆς ἀληθείας – die γνῶσις τῆς ἀληθείας und aus ihr heraus die ἐλευθερία. Wenn der lutherischen Kirche die ὑπομονὴ τῶν ἁγίων und die πίστις μένουσα (Offenb. 13, 10) die höchste Sorge ist, so wird sie zwar die Einsame, über die alle Wetter gehen, bleiben, aber klaren Unterschied der Dinge lernen und Treue im Kampfe üben und schließlich ihren Sieg erleben. Wir haben auf den äußeren Erfolg gar nicht zu achten. Die nächsten Jahrzehnte werden dem Bekenntnis und der Entschiedenheit zu ihm nicht gehören, so wenig je eine Zeit ihr gehörte. Man wird in vielen Kreisen mitleidvolles Verständnis haben für die „Verkannten, die Übelberüchtigten, für die Bedrückten, für die verfolgten Minderheiten,“ die in Wahrheit Majoritäten, der Presse, des Beifalls der Autoritätsfeinde teilhaft und mächtig sind, man wird über „hierarchische Gelüste, über mittelalterlichen Zelotismus“ reden, vergessen, daß nicht der geringste Teil der Zustimmung zur Moderne auf ihrer Opposition gegen die pflichtgemäß sprechende Autorität, gegen die Übung der beschworenen Hirten- und Wächterpflicht beruht und in dem oft ernsten, würdigen, lichten Leben „liberaler“ Christen, dem

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Hermann von Bezzel: Zeitbetrachtung. A. Deichert’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1914, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Zeitbetrachtung.pdf/15&oldid=- (Version vom 10.9.2016)