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und Katechismusunterricht, besonders aber in der Predigt so summarisch, ja mit einer gewissen Ängstlichkeit behandelt würden. Wir, die Schüler Franks, danken neben dem Vielen, was die Ewigkeit erst klarlegen wird, unserem teuern Lehrer auch das, daß er in den letzten Stunden des Kollegs über den zweiten Teil der Dogmatik, die wie Beichtreden und seelsorgerliche Vermahnungen an uns kamen, dem τετέλεσται am Kreuze (Joh. 19, 30) das γεγόναν factum est (Offenb. 21, 6) vom Throne der Erhöhung entgegenstellte, der Verheißung die Verwirklichung, der Idee die Realität. Aber es ist etwas Wahres an Kellers Vorhalt. Wir müssen, um die Zeichen der Zeit recht zu deuten und unsere Herzen zu stärken, mehr in den letzten Dingen leben, nicht an der Hand eines schattenhaften Kommentars, der in trübseliger Aufzählung der alttestamentlichen Parallelen und auch der sibyllinischen Orakel und in etlicher Textkritik nebst Konjekturen proprio Marte die Offenbarung abtut, sondern in betender Versenkung in das Buch „des Theologen“, in die heilige und die heilwertige Weissagung, die ja nicht Verheißung, sondern Offenbarung sein will. Bengel und Kliefoth zu Rate zu ziehen verschmähe man nicht, vor allem aber bedenke man, daß kaum ein Buch so die Erklärung seiner selbst ist wie dieses letzte Buch des Neuen Testaments.

 Herz und Haupt dem zur Vollendung sich anschickenden Herrn entgegen, der, wie Chrysostomus zu Apg. 7, 56 υἱὸν τοῦ ἀνθρώπου ἑστῶτα anmerkt, seinen kommenden Knechten entgegenzugehen sich rüstet, dabei festen Fußes auf der Erde, die zu bebauen ihnen befohlen ist, wollen Lutheraner die Zeit tragen, leiden und überwinden, nicht Schönredner, sondern Wohltäter, nicht tatenlos Verzagte, sondern Männer der Hoffnung sein, wo nichts zu hoffen ist.

 In der Vorrede zum System der Wahrheit wünscht Frank, daß wir vor der ἡμέρα ἀνθρωπίνη und ihrem Gericht (1. Kor. 4, 3) uns nicht fürchten möchten, einzig darum bekümmert, οὺδὲν ἐμαυτῷ σύνοιδα sagen zu dürfen. Die Vorrede zu seiner Ethik, der viel zu wenig gekannten und gelesenen, schließt er mit den Worten; „Wir rüsten uns und sind des Kommenden gewärtig.“ Sein zweiter Nachfolger, der Leiter der Nürnberger Allg. Ev.-Luth. Konferenz, hat mit Recht sie der Versammlung zugerufen. Bindende

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Hermann von Bezzel: Zeitbetrachtung. A. Deichert’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1914, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Zeitbetrachtung.pdf/26&oldid=- (Version vom 10.9.2016)