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 Die Beratungsgegenstände, die aus den Vorlagen des Kirchenregimentes und ungefähr fünfzig Anträgen aus der Mitte der Synode sich zusammensetzten, seien nach ihrer Bedeutung kurz gruppiert. Kirchliche Jugendpflege gegenüber der sozialdemokratischen Propaganda, die mit vorzüglicher Kunst der Jugend sich nähert, aber auch neben der humanitären der Pfadfinder und ähnlicher Verbrüderungen, die zu leicht an der Kirche vorbeiführen, ward eifrig empfohlen, äußere und innere Hilfe ihr gewährt, größere noch verheißen, dabei aber nicht verkannt, daß die Reformation bei der Familie anfangen müsse, die nicht ganz der Verantwortlichkeit an ihren Gliedern überhoben, noch weniger der Einwirkung auf sie beraubt werden dürfe. Gersons Wort auf dem Konstanzer Konzil, daß jegliche Kirchenbesserung bei der Jugend anheben muß, ward – ungenannt und ungesagt – oft erwähnt. So kam auch der eigene Religionsunterricht an den auf den Werktag zu verlegenden Fortbildungsschulen zur Sprache. Die Massenchristenlehren am Sonntag, die etwa eine ganze Kirche wie die kleine von St. Johannis, Nürnberg, füllen und jeglicher Unterweisung spotten, müssen aufhören, Ersatz aber darf nicht fehlen. Die geistliche Schulaufsicht, die in Bayern 1808 den Pfarrern als lokale, 1818 als distriktive zugesprochen ward, aus geschichtlichen Gründen den protestantischen allein, da ihre Schulen in Gefahr stunden, unter katholisch-geistliche Aufsicht zu gelangen, während das Konkordat diese Aufsicht für selbstverständlich und im Wesen der Kirche wie der Schule begründet ansieht und darum nicht eigens erwähnt –, soll in den Konfessionsschulen Nürnbergs fallen, damit die Lehrer, des „unzeitgemäßen und eines wohl nie zu rechtfertigenden Zwanges“ entledigt, desto freudiger für die Konfessionsschule eintreten möchten, die gerade in Nürnberg beklagenswerte Rückschritte gemacht und der übermächtigen Simultanschule Raum gegeben hat, deren Erfolge unsere Kirche am eigenen Leibe noch bitter empfinden wird. Nicht einmütig, aber doch in Mehrheit ward ausgesprochen, geistliche Schulaussicht sei nicht ein Lebensinteresse der Kirche, man könne sie missen, wenn nur der Geistliche den Religionsunterricht in der Hand und im Auge behalte. Die der Synode zugehörigen zwölf Lehrer bekannten sich alle zur Fachaufsicht, wollten aber den konfessionellen Charakter der Volksschule

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Zeitbetrachtung. A. Deichert’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1914, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Zeitbetrachtung.pdf/30&oldid=- (Version vom 10.9.2016)