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unverbesserlicher Optimiste ist, zu Worte, während er vorher die Predigt nur mit wenigen ironischen Bemerkungen begleitet hat. Er fährt Pheidias mit der völlig vom Zaun gebrochenen Frage in die Parade, wie hoch denn die Agoranomen heut den Weizenpreis notiert hätten. Das consterniert Pheidias. Aber Onkel fahrt unbeirrt fort, „ich brauche die Frage zu einem argumentum ad hominem; wenn du dir durchaus über Jemand anders den Kopf zerbrechen willst, lieber Junge, dann thus gefälligst über die Menschen, welche es so viel schlechter haben als du, und da wird sich der Weltschmerz schon legen. Wenn dir aber dein eigenes Elend, welches in schlechtem Schlafe besteht, Sorge macht, so fange deine Untersuchungen lieber bei dir an, dann wird es sich schon aufklären. Du machst dir keine Bewegung, du verzärtelst deinen Körper, der Erfolg ist ganz natürlich: gutes Leben, schlechter Schlaf. Ergo, es fehlt dir gar nichts, außer – entschuldige das derbe Citat – die Freiheit die dem Werther fehlte, so dass er sich so verdorben hat, die Freiheit, die Nicolai an Werthers Grabe hatte, wie die so Leute haben. Nicht wahr, leugne nur nicht, nicht wahr, ich habs getroffen“. Freilich hats Onkel getroffen; ganz kleinlaut giebt Phidias seine schweren Nöthe zu, und als Onkel seinen thörichten Trotz schilt, der sich gescheut habe den Grund seines Uebelbefindens anzugeben, da bittet er nur um einen guten Rath. Und gleich ist Onkel wieder gutmüthig und freundlich; die Heilung sei sehr einfach; denn für reale Krankheiten gäbe es reale Mittel, für eingebildete aber sei der Schwindel gut. – Hier bricht unsere Ueberlieferung ab. Es leuchtet ein, dass die Scene der Exposition angehört, und dass sich die Handlung des Stückes um die Bekehrung des Pessimisten drehte. Ob aber, was mich wahrscheinlicher dünkt, die Verdauungsbeschwerden bloß ein artiges Intermezzo bilden sollten, wesentlich um des komischen Effectes willen, den das plötzlich im Wortsinne genommene Sprichwort haben musste, oder ob darauf sich gumpelinohafte Schwanke bauen sollten – mögen es uns die Klöster des Orients lehren. Aber wenn auch der Verstand dieser Hoffnung gegenüber Recht behalten sollte, ein Schatz bleibt die Scene auch in ihrer Vereinzelung: sie lehrt uns verstehn, weshalb Menandros der Liebling eines Jahrtausends gewesen ist. Denn der Reiz auch des griechischen wie eines jeden bürgerlichen Lustspiels lag in der feinen Detailmalerei, in der Behandlung, nicht in der

Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Der Pessimist des Menandros aus Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 11. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1877, Seite 501. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_11_501.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)