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Haupt der athenischen poetisirenden Richtung, dieser bezeichnender Weise nur in einer Handschrift, weil die Erneuerung der Kunstprosa seit Photius mit diesem Stile nichts mehr anlangen konnte und wollte.[1] Nimmt man die reiche rhetorische Doctrin, Genethlios und Menander an der Spitze, dazu, so kann man wohl sagen, dass wir über die Prosa des 4. Jahrhunderts ausreichend unterrichtet sind. Aber die Heroen des Philostratos? Mit den drei kleinen Declamationen des Herodes und Polemon, zu denen die beiden des Lesbonax kommen, den jener auffallender Weise vergessen hat,[2] ist wenig erreicht: sie haben sich in Miscellanbänden von Musterstücken erhalten, vereinigt wohl mit den immer noch zahlreicheren Musterdeclamationen der classischen Zeit (Gorgias, Alkidamas, Antisthenes). Dion ist nicht als Rhetor, sondern durch das philosophische Interesse gerettet, das man seit Synesios an ihm nahm[3]; aus demselben Interesse haben wir, allerdings mehr durch glücklichen Zufall, den Tyrier Maximus, uns als Rhetor und Stilist sehr wichtig, von Philostratos aber verschmäht. Dagegen ist Favorin verschollen, weil seine Skepsis dem Christenthume unsympathisch war. Wirklich in mächtigem Einflusse ist nur Aristides geblieben, Classiker schon für Longin, und schon für ihn aus dem Grunde, der ihn immer oben gehallen hat, weil er wirklich den attischen Stil so vollkommen wie kein anderer erreicht hat.[4] Die


  1. Sie konnte es nicht, weil ihr die dazu nöthige Poesie verloren war, oder sie musste es machen wie der Romanschreiber Eustathius, den ich niemals fähig gewesen bin durchzulesen. Sie wollte es nicht, weil ihr das grammatisch correcte Altgriechisch schon an sich schwer und poetisch genug war.
  2. Seine Zeit hat Rande fixirt; als Mitschüler des Polemon und Demonax fällt er in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts. Noch auffälliger ist bei Philostrat das Fehlen des Nikostratos.
  3. Daher sind seine sophistischen Declamationen fast alle verloren.
  4. Seine Kritik ist erhalten, I 326 Sp. τὴν πλεονάσασαν περὶ τὴν Ἀσίαν ἔκλυσιν ἀνεκτήσατο: damit ist der Gegensatz bezeichnet, in dem Aristides wirklich und bewusst zu den ἐξορχούμενοι in seiner Provinz stand, nichts von dem alten ‚Asianismus‘ des Matris oder Timaios. Auf Longin, der 741 citirt wird, gehn die Prolegomena zu Aristides III 737 zurück, wo zwei attischen φοραὶ ῥητόρων eine dritte zugefügt wird, in der Asien die Redner stellt, Polemon, Herodes, Aristides und ihre Zeitgenossen. Also diesem Byzantiner ist in diesem Sinne, ganz ohne Stilkritik, die ‚zweite Sophistik‘ asianisch, Aristides ihr Haupt – neben Herodes Attikos. Wenn also Spätere von einem Buche sagen, dass es τὸν Ἀσιανὸν τῶν λόγων χαρακτῆρα trägt, so heisst das nichts weiter, als es ist mit rhetorischem Aufputze angefasst: wie [12] hätte ein Sokrates oder gar ein Photius etwas von den allen Kämpfen des Caecilius wissen können? So erledigen sich die von Norden I 370 angeführten Stellen, die ich ohne ihn nicht kennen würde. Ich füge Ioh. Doxopatris VI 83 W. hinzu. Die aber, auf die Norden besonderen Werth legt, Prokop. Epist. 116 referirt nur Longins Unheil über Aristides, einen Salz aus der schulmässigen Einleitung in die Aristideserklärung, wie wir sie lesen, eben auch aus der Schule von Gaza: τί δῆτα τοῖς μειρακίοις προκαθεζόμενος οἴει τι μέγα φέρειν (φρονεῖν vulgo) Ἀριστείδουη τοῦ πάνυ πρὸς ἔπαινον, εἰ λέγοις ὡς αὐτὸς (ἢ Πολέμων) τῆς Ἀσιανῆς τερατείας τὴν ἀρχαίαν ῥητορικὴν ἐκάθηρεν. Das allerdings unüberlegt eingeschobene ἢ Πολέμων, das man unglücklich corrigirt hat, besagt, man könnte das auch von Polemon sagen, den die Prolegomena zu Aristides an erster Stelle nennen.
Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Asianismus und Atticismus. In: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 35. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1900, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_35_011.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2021)