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aus Uebersättigung. Wenn sie kunstvoll sein wollte, bedurfte auch sie der Rhythmen. Es mag wohl sein, dass Hypereides in dieser Richtung gewirkt hat,[1] obwohl das nicht gesagt wird, sondern Lysias als Vorbild des Charisios gilt, bei dem Rhythmik nicht zu holen war, dagegen gorgianische Künste nichts seltenes sind, wie der Verfertiger des Epitaphios wohl gewusst hat. Jedenfalls hat Hegesias an Charisios und durch ihn an Lysias ausgesprochenermaassen anknüpfen wollen, als er seinen Stil aufbrachte, der in der epideiklischen Rede[2] wenigstens rhythmische εἰρομένη ist. Und hier haben wir denn wirkliche ἔμμετρα, ἐκεῖνο Λεωκόριον, τοῦτο Θησεῖον,[3] das ist ἰήιε Φοῖβε σοὶ δὲ ταῦτ’ ἀρέστ’ εἴη, und in den κομμάτια, die Agatharchides tadelt, sind Schlüsse wie –⏖–⏖– (τῆς μεγάλης Σιπυλεύς), ⏑–⏖–⏖–⏖–⏑–⏑|–⏑–⏑–– (ὁρώντα τὰ λείψανα τῆς πόλεως παρόντα μοι συνικετεύειν) ⏖⏑–|–⏑–|––⏖–⏑––||⏖–⏖–⏖–⏑–⏑–– (archebuleisch) ||⏑–⏑–|––||––⏑–|–⏑–|–⏑–|–⏑–| δύο γὰρ αὗται πόλεις τῆς Ἑλλάδος ἦσαν ὄψεις· διὸ καὶ περὶ τῆς ἑτέρας ἀγωνιῶ νῶν· ὁ μὲν γὰρ εἷς αὐτῶν ὀφθαλμὸς ἡ Θηβαίων[4] ἐκκέηοπται πόλις. Vergleichen wir nun diese Stilisirungen mit denen der späteren Prosa, so ist das erste, dass man sieht, die asianischen Clauseln der periodisirten Rede haben in Rom in der


  1. Sein Stil in den Gerichtsreden muss für denjenigen der vollkommenste sein, der poetische Prosa (das ist für uns Demosthenes) im Plaidoyer deplacirt findet. Es ist in der That höchst kunstvoller sermo. Darin ist er gross, und der tenuis spiritus Graiae camenae bezaubert. Aber die Erhabenheit liegt ihm nicht, und so wird der Epitaphios durch Imitation conventionell. Wenn Rhodier ihn empfahlen, die ägyptischen Rhetoren, wie die Erhaltung der Papyri lehrt, ihn bevorzugten, während die Schulrhetorik seit Dionysios ihn fallen liess, so waren sie attischer als die Atticisten, die an den Vocabeln klebten.
  2. Das historische Fragment hat εἰρομένη λέξις, keine Rhythmen: das ist Fortwirkung altionischer Historiographie, die nie verstummt war. Die Anstösse liegen in der Wortwahl und Wortstellung, noch mehr in dem περὶ τὰς νοήσεις καινόσπουδον, das der Schriftsteller π. ὕψους an seinen Zeitgenossen rügt, das also mit Asianisch und Attisch nichts zu thun hat.
  3. Dies der einzige significante Satz in dem lückenhaften Fragmente bei Strabon 396. Unmittelbar folgt οὐ δύναμαι δηλῶσαι καθ’ ἓν ἕκαστον, ganz πεζῶς. Das andere ist zerstört.
  4. Ich messe das kretisch, wie z. Β. damals Artemidoros von Perge in seinen Epigrammen immer Θηραῖοι. Natürlich ist das Willkür, aber die kann niemand aus diesen Analysen bannen, wenigstens so viel wir bis jetzt erkennen.
Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Asianismus und Atticismus. In: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 35. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1900, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_35_036.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)