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Hans Flach: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 8
Zum Leben Hesiods

seines Vaters Tode Askra und den Helikon verlassen hat, und wenn man das Prooimion oder, wenigstens den Theil v. 22–35 für echt hält (S. 979), welcher die Einleitung zur folgenden Theogonie bildet, man nothgedrungen gezwungen ist, die Theogonie nicht nur für das erste Gedicht Hesiods zu halten, sondern für eins, das ohne Zweifel in Boiotien und nicht in Naupaktos gedichtet ist. – Bergk polemisirt an verschiedenen Stellen gegen die skeptische Kritik der neueren Philologen; hat sein Verfahren aber in einer wissenschaftlichen Literaturgeschichte eine Berechtigung?

Ferner können wir die Bemerkung nicht unterdrücken, dass unsres Wissens folgende Umstände bei der Biographie des Hesiod noch nicht benutzt sind. Der Name Aulis kommt in der Lebensgeschichte Hesiods zweimal vor, zuerst Opp. 651, in jenen unechten Versen, welche von einem Wettkampf in Chalkis berichten (v. 650–662), zweitens im Certamen p. 315 vom Wettkampf in Aulis, wo freilich Nietsche S. 234 verbessert hat ἐν Χαλκίδι τῆς Εὐβοίας für ἐν Αὐλίδι τῆς Βοιωτίας. Die Verse Opp. 650–662 sind entstanden vor der Zeit, in welcher der Mythus von dem Wettkampf mit Homer gebildet wurde, d. h. vor der Zeit des Rhetor Alkidamas, denn sonst hätten unzweifelhaft alle Exemplare v. 657 die Worte νικησάντ’ ἐν Χαλκίδι θεῖον Ὃμηρον zur Zeit der Alexandriner gehabt, die nur einige hatten (Proklos z. d. Vers); und wir werden nicht irren, wenn wir sie den boiotischen Rhapsoden zuschreiben. Wenn nun auch die von den Rhapsoden eingefügten Mythen keine Geschichte enthalten, so ist doch die Localität, in welcher ein derartiger Mythus von einer historischen Persönlichkeit sich festsetzt, in der Lebensgeschichte desselben von Bedeutung, und die Erinnerung an sie ist die Mutter der mannigfaltigen Mythen. Die Namen Askra, Helikon, die Gegend, von Naupaktos und Oineon, endlich in Betreff der Gebeine des Todten Orchomenos, sind aus der Geschichte Hesiods nicht zu entfernen; und deswegen wird die Sage vom Wettkampf in Chalkis im boiotischen Aulis entstanden sein, das seinerseits den Dichter gekannt und an ihm Interesse genommen haben muss. Was hindert uns aber anzunehmen, dass gerade Aulis die Hafenstadt gewesen sei, welche der Dichter Opp. 635 gemeint hat, wo sein Vater, als er von Kyme kam, landete, und er selbst, als er Askra verlassen, wohnte? Jetzt wird uns begreiflicher, wie auch eine Sage vom

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diverse: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 8 (1874). 1874, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_8_462.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)