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Seite:Hilbert - Mathematische Probleme.pdf/29

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David Hilbert: Mathematische Probleme. In: Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse

13. Unmöglichkeit der Lösung der allgemeinen Gleichung 7ten Grades mittelst Functionen von nur 2 Argumenten.


Die Nomographie[1] hat die Aufgabe Gleichungen mittelst gezeichneter Curvenschaaren zu lösen, die von einem willkürlichen Parameter abhängen. Man sieht sofort, daß jede Wurzel einer Gleichung, deren Coefficienten nur von zwei Parametern abhängen, d. h. jede Function von zwei unabhängigen Veränderlichen auf mannigfache Weise durch das der Nomographie zu Grunde liegende Princip darstellbar ist. Ferner sind durch dieses Princip offenbar auch eine große Klasse von Functionen von drei und mehr Veränderlichen darstellbar, nämlich alle diejenigen Functionen, die man dadurch erzeugen kann, daß man zunächst eine Function von zwei Argumenten bildet, dann jedes dieser Argumente wieder gleich Functionen von zwei Argumenten einsetzt, an deren Stelle wiederum Functionen von zwei Argumenten treten u. s. f., wobei eine beliebige endliche Anzahl von Einschachtelungen der Functionen zweier Argumente gestattet ist. So gehört beispielsweise jede rationale Function von beliebig vielen Argumenten zur Klasse dieser durch nomographische Tafeln construirbaren Functionen; denn sie kann durch die Prozesse der Addition, Subtraction, Multiplikation und Division erzeugt werden, und jeder dieser Prozesse repräsentirt eine Function von nur zwei Argumenten. Man sieht leicht ein, daß auch die Wurzeln aller Gleichungen, die in einem natürlichen Rationalitätsbereiche durch Wurzelziehen auflösbar sind, zu der genannten Klasse von Functionen gehören; denn hier kommt zu den vier elementaren Rechnungsoperationen nur noch der Prozeß des Wurzelziehens hinzu, der ja lediglich eine Function eines Argumentes repräsentirt. Desgleichen sind die allgemeinen Gleichungen 5ten und 6ten Grades durch geeignete nomographische Tafeln auflösbar; denn diese können durch solche Tschirnhausentransformationen, die ihrerseits nur Ausziehen von Wurzeln verlangen, in eine Form gebracht werden, deren Coefficienten nur von zwei Parametern abhängig sind.

Wahrscheinlich ist nun die Wurzel der Gleichung 7ten Grades eine solche Function ihrer Coefficienten, die nicht zu der genannten Klasse nomographisch construirbarer Functionen gehört, d. h. die sich nicht durch eine endliche Anzahl von Einschachtelungen von Functionen zweier Argumente erzeugen läßt. Um dieses einzusehen, wäre der Nachweis dafür nötig, daß die Gleichung


  1. M. d’Ocagne, Traité de Nomographie, Paris 1899.
Empfohlene Zitierweise:
David Hilbert: Mathematische Probleme. In: Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1900, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hilbert_-_Mathematische_Probleme.pdf/29&oldid=- (Version vom 1.8.2018)