Seite:Hoffmann Fantasiestücke in Callots Manier Bd.2 1819.pdf/288

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so grell gegen Alles ab, was vernünftig und schicklich heißt, daß an der innern Zerrüttung seines Geistes kaum zu zweifeln war. Immer exzentrischer, immer verwirrter wurde sein Ideengang; so z. B. sprach er, kurz vor seiner Flucht aus dem Orte, viel von der unglücklichen Liebe einer Nachtigall zu einer Purpurnelke, das Ganze sey aber (meinte er) nichts als ein Adagio,[WS 1] und dies nun wieder eigentlich ein einziger lang ausgehaltener Ton Juliens, auf dem Romeo in den höchsten Himmel voll Liebe und Seligkeit hinaufschwebe. Endlich gestand er mir, wie er seinen Tod beschlossen und sich im nächsten Walde mit einer übermäßigen Quinte[WS 2] erdolchen werde. So wurde oft sein höchster Schmerz auf eine schauerliche Weise skurril. Noch in der Nacht, als er auf immer schied, brachte er seinem innigsten Freunde Hoffmann[WS 3] einen sorgfältig versiegelten Brief, mit der dringenden Bitte, ihn gleich an die Behörde abzusenden. Das war aber nicht wohl thunlich, da der Brief die wunderliche Adresse hatte:

An den Freund und Gefährten in Liebe, Leid und Tod!

Abzugeben in der Welt, dicht an der großen Dornenhecke, der Gränze der Vernunft.

Cito par bonté.[WS 4]


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ein Musikstück von langsamen, elegischen Tempo und Ausdruck.
  2. Die übermäßigen Quinte ist ein syntaktisch selten gebrauchtes Intervall, das der kleinen Sexte entspricht. Sie ist eine Konsonanz, im Gegensatz zur übermäßigen Quarte, des Tritonus, des diabolus in musica, das als dissonanteste aller Intervalle angesehen wurde.
  3. einmal mehr eine autobiographische Referenz.
  4. lateinisch-französisch, sinngemäß: bitte rasch abzugeben.