Seite:Hoffmann Fantasiestücke in Callots Manier Bd.2 1819.pdf/355

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frappiren durch erkünstelte Künstlichkeit, die zur argen Unkunst wird; er schreibt es nur auf, wie sein innerer Geist die Momente der Handlung in Tönen aussprach, und mögen dann die musikalischen Rechenmeister zu nützlicher Uebung aus seinen Werken ihre Exempel ziehen. Zu weit würde es führen, hier über die tiefe Kunst der Harmonik zu sprechen, wie sie in unserm Innern begründet ist, und wie sich dem schärfer Eindringenden geheimnißvolle Gesetze offenbaren, die kein Lehrbuch enthält. Nur um eine einzelne Erscheinung anzudeuten, sey es bemerkt, daß die grellen Ausweichungen nur dann von tiefer Wirkung sind, wenn, unerachtet ihrer Heterogeneität, die Tonarten doch in geheimer, dem Geist des Musikers klar gewordener Beziehung stehen. Mag die anfangs erwähnte Stelle des Duetts im Don Juan auch hier zum Beispiel dienen. – Hieher gehören auch die wegen des Mißbrauchs oft bespöttelten, enharmonischen Ausweichungen,[WS 1] die eben jene geheime Beziehung in sich tragen, und deren oft gewaltige Wirkung sich nicht bezweifeln läßt. Es ist, als ob ein geheimes, sympathetisches Band oft manche entfernt liegende Tonarten verbände; und ob unter gewissen Umständen eine unbezwingbare Idiosynkrasie[WS 2] selbst die nächstverwandten Tonarten trenne. Die gewöhnlichste, häufigste Modulation, nämlich aus der Tonika in die Dominante und umgekehrt,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Enharmonische Verwechslung bezeichnet syntaktisch verschiedene, aber von der Tonhöhe (jedenfalls in der Wohltemperierten Stimmung) her gleiche Töne. Auf dem Klavier ist z.B. Fis und Ges dieselbe Taste; doch wäre es ein Fehler in -Tonarten Ges (oder in -Tonarten Fis) für diesen Ton zu notieren. Durch Modulationen mit enharmonischer Verwechslung können auch sehr entfernte Tonarten elegant erreicht werden, was in der klassischen Musikästhetik allerdings verpönt war und erst in der musikalischen Romantik zum Ausdrucksmittel wurde.
  2. Idiosynkrasie, ein unüberwindbarer Widerwillen.