Seite:Hoffmann Fantasiestücke in Callots Manier Bd.2 1819.pdf/72

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verheißen, dicht vor mir im blumigen Wiesengrunde, und hoch hervor ragten die gothischen Thürme des Schlosses, dessen Fenster im Schein der Sonne glühten, als wollten innere Flammen hervorbrechen. Glockengeläute und geistlicher Gesang tönten zu mir herüber; in der Ferne sah ich einen feierlichen Leichenzug auf der Straße von dem Schlosse her nach dem Kirchhofe wallen; als ich endlich ankam, war der Gesang verstummt; man hatte nach der dortigen Sitte den Sarg geöffnet, vor dem Grabe niedergesetzt, und der Pfarrer hielt den Leichen-Sermon.[WS 1] Sie waren im Begriff den Deckel auf den Sarg zu heben, als ich hinzutrat und den Todten erblickte. Es war ein hochbejahrter Mann, der mit heiterm Gesicht unentstellt da lag, als schlummerte er sanft und friedlich. Der alte Bauer sagte tief gerührt: Sieh’, wie unser alter Franz so schön da liegt, Gott schenke mir ein so frommes Ende – ja! – selig sind, die in dem Herrn entschlafen. – Mir war es, als sey dieß die rechte Todtenfeier für den frommen Entschlafenen, und des Bauers einfache Worte, die herrlichste Leichenrede. – Sie senkten den Sarg hinab, und als nun die Erdschollen mit dumpfem Klang hinabfielen, ergriff mich die bitterste Wehmuth, als läge der Herzensfreund in der todten kalten Erde. – Eben wollte ich den Berg hinaufsteigen, auf dem das Schloß lag,[WS 2] als mir der Pfarrer entgegentrat,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. [In der ersten Fassung schließt – siehe Hirschberg 1922 Bd.13, S. 327-328 Commons – hier an:] Es war ein junger Mann, sehr künstlich frisirt und überstark gepudert, mit einem behaglichen, glatten, weiß und rothen Sonntagsgesicht; er sprach von der Unsterblichkeit und dem Wiedersehen in solchen zierlichen, gedrechselten, süßen Worten und Redensarten, daß das ewige Leben wie eine unendliche Festivität und Conversation in Gallakleidern erschien. Seine Gestikulation war nach der franz. Tragödie geregelt, nur brauchte er dabey noch fleißig das battistne Schnupftuch und die goldne Dose. Es begab sich, daß der Wind durch die hohen Kastanienbäume aus dem Kirchhofe streichend, eine Frucht herabwarf, diese fiel dem Priester ins gelockte Haar, und hüllte ihn so wie den nebenstehenden Küster in eine dichte Puderwolke ein. Die um den grämlichen Schulmeister versammelte muntere Singakademie brach in ein schallendes Gelächter aus, das mit Blitzesschnelle durch die Reihen der Bauern lief. Ein Kirchenvater schlug ernsthaft und resignirt mit geballter Faust den Küster, der in ein furchtbares Wesen verfallen, unaufhörlich in den Rücken, indem er rief: Gevatter, erhol’ er sich! — während zwey Mägde den Seelsorger abstäubten. Kaum aber hatte dieser einigermaßen die Grundfarbe wieder angenommen, als er mit fliegendem Mantel über die Gräber davon hüpfte, und die um den Todten versammelte Gemeinde im Stiche ließ. „Das will ein Hase seyn,“ sagte ein älterer Bauer, sein Gesangbuch zuklappend, und eilte dem Todtengräber hülfreiche Hand zu leisten, denn alle Ordnung, alle Ceremonie hatte ein Ende. Die Schüler waren auf und davon — Hans hatte [328] die Grete ergriffen, und eilte den Sonntag in der Schenke zu feiern, und brummend schlich der Schulmeister dem unglücklichen Küster nach, der immerfort niesend und schreyend vor Schmerz über des Gevatters barbarische Kur ersticken wollte.
  2. [In der ersten Fassung folgt – siehe Hirschberg 1922 Bd. 13, S. 328 Commons hier:] als das zierliche Männchen im Priesterrock mir aus einer Weißdornhecke entgegentrat. „Sie sind wahrscheinlich ein Reisender, mein Herr,“ fing er sogleich an: „ich bemerkte Sie auf dem Kirchhofe bey dem Begräbniß des alten Mahlers. — Unangenehmer Zufall, der meine Rede derangirte, — Sie sind um den besten Theil gekommen — ich meine, den letzten, denn ich liebe wie Flechier die Steigerungen; überhaupt ahme ich gern den Styl bald dieses, bald jenes großen Redners nach, ja ich bemühe mich auch im Aeußern, was Mimik — Gestikulation betrifft, ihm gleich zu seyn, so wird man vielseitig; heute war ich ganz Flechier, und wie ich glauben darf, mit freyem Anstande — aber mit den Locken, die die fatale Kastanie auflöste, lösten sich auch meine Perioden — Sie glauben nicht, wie ein einziges kleines Deragement des Aeußern — ein falscher Faltenwurf des Mantels — doch was halten Sie von der Mimik des Redners? — Gott! wie so wenig wird überhaupt die Mimik von den Volksrednem beachtet — ich schmeichle mir hierin etwas gethan zu haben — nicht vergebens genoß ich den Unterricht des großen Bühnenredners F.? — Sie waren in B. —?“ Ohne meine Antwort abzuwarten, schwatzte er weiter, und kramte zu meinem Verdruß seine Albernheiten aus, bis es mir gelang, ihn auf den Todten zurückzubringen. [es entfällt dort: als mir der Pfarrer entgegentrat, bei dem ich mich nach dem Todten, den man eben zu Grabe getragen, erkundigte. Der alte Mahler Franz Bickert, – und schließt an bei: Der alte Mahler Franz Bickert war es,…]