Seite:Hogarth erklärt von Lichtenberg (Kottenkamp Stuttgart 1840).pdf/187

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letzten, nur noch dreizölligen Hub mit großer Anstrengung der Zehen verrichten muß. Jedoch hier ist Hogarth so ganz mit vollem Lichte gegen uns gekehrt, daß ihn jede weitere Erklärung nur verhüllen würde. Dem Tone, worin dieses ganze Blatt componirt ist, gemäß, ist Amor hier weder blind noch nackt. Er sieht recht gut, wo andrer Leute Strümpfe sitzen, und trägt die seinigen sogar gewickelt.

Rechts hinter dem Schmuckkästchen steht ein Mädchen von nicht schlechter Gesichtsbildung mit herabhängendem Haar. Es ist vermuthlich bloß die Nickhaut der Trunkenheit, die ihren Blick etwas trübt. Dieses ist die Sirene, wie man an dem Fischschwanze sieht, der durch ein Band um ihre Hüfte aufrecht gehalten wird.

Desinit in piscem mulier formosa superne.

Die Physiognomie ist wirklich national und unter dem gesunden Landvolk Englands sehr gewöhnlich. In ihrer Rechten hält sie eine Bouteille, und ist, wie man sieht, im Begriff, einer Mamsell d’Eon, die über Zahnweh klagt, und die sogleich der Gegenstand einer epineusen Untersuchung werden wird, einen Schluck Trost zu reichen. Während diese Wasser-Nymphe Branntwein schenkt, ist eine jugendliche Aurora, mit einem blanken Morgenstern vor dem Kopfe, beschäftigt, ihr unter liebevoller Verziehung ihres Goldmündchens einige Wasser-Insecten zu knicken, die am Halstuche hängen geblieben sind. Der Stern leuchtet mit vollem Glanz. Es ist noch sehr früh; die Röthe grauet nur noch in diesem Auroragesichtchen, und Phöbus wird, mit Butler zu reden, sein Feuer noch um ein Ziemliches näher rücken müssen, um dieses Hummerchen roth zu sieden. Daß eine Wassergöttin Wein schenkt, ist drollig genug. Man könnte die Figur zum Aushängeschild manchen Weinhäusern empfehlen, wenn es eine Weingöttin wäre, die Wasser schenkt[1]. Was ist denn aber nun das für ein Geschöpf,


  1. Das so genannte Bierschild, das in manchen Gegenden Deutschlands, zumal auf dem Lande, auch an Häusern aushängt, worin zugleich Wein, wenigstens Branntwein geschenkt wird, drückt in der That dieß freundschaftliche Benehmen zwischen Wasser und Wein schon aus. Bekanntlich ist ein gleichseitiges Dreieck auf die Spitze gestellt, das Zeichen des Wassers, hingegen des Feuers, wenn es auf einer der Seiten steht. In dieser Lage verbunden machen sie das Bierschild. Mendelssohn’s Thetis, die einen Bacchus umarmt.