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Der Künstler hat dargestellt, wie das Gewissen des Römers durch die Rede des Apostels aufgeregt wird, welcher mit Freimuth vor dem Procurator Judäa’s von Unterdrückung und Sittenlosigkeit redet, ersteres bekanntlich ein Punkt, worin alle regierenden Römer in den Provinzen mehr oder weniger sich gleichkamen, letzteres ein Vorwurf, der auf die Mehrzahl anwendbar war, und welcher Felix um so mehr betraf, da dieser die Gemahlin eines Juden, die neben ihm sitzende Drusilla, ihrem Gatten geraubt hatte. Zugleich aber erhellt aus der Apostelgeschichte jener Römergeist, welcher in der größten Verderbniß nicht durchaus sinken konnte, und bald dem Christenthum eine reiche Ernte bot; Felix, obgleich erbittert und beleidigt, denkt nicht daran, seine Gewalt gegen einen Mann auszuüben, der ihm die bittere Wahrheit sagt. Auch der Künstler hat diese Stimmung in seinen Zügen wiedergegeben. Felix scheint die Drusilla zu lieben; während seine Gewissensangst, worin die Anklagerolle seiner Hand entfällt, drückt er jener Frau die Hand, als wolle er bei seiner Geliebten eine moralische Stütze suchen. Die andern Römer scheinen ebenfalls durch des Apostels Worte ergriffen zu sein. Der eine Lictor im Hintergrunde ist dabei nicht gleichgiltig geblieben. Der Soldat neben ihm, welcher das Vexillum trägt, ist offenbar überzeugt und unterhält sich mit einem Weibe, welches die Hände zum Gebete faltet. Der Legionssoldat neben Paulus horcht mit gespannter Aufmerksamkeit auf die Worte des Heidenapostels. Auch der römische Schreiber (scriba) ist ergriffen, während der jüdische, an dem Turban kennbar, die Verhandlung gleichgiltig aufzeichnet. Sogar Tertullus, nach dem Anfange des erwähnten Capitels der Apostelgeschichte der römische Advocat, der die Sache der Juden bei der Anklage des Paulus vertrat, scheint durchaus nicht gegen des Apostels Lehre oder Person aufgeregt zu sein, sondern nur nach Advocatenart einige Punkte aus der Vertheidigungsrede hervorsuchen zu wollen, die er für eine Replik vielleicht benützen könnte. Nur der Lictor hinter der Drusilla ist unter den Römern gleichgiltig geblieben. Uebrigens zeigen die Gesichtszüge der dargestellten Römer sämmtlich die charakteristische Form, welche man aus Münzen und andern Denkmälern erkennen kann. Auch das Costüm ist richtig beobachtet.