Seite:Hogarth erklärt von Lichtenberg (Kottenkamp Stuttgart 1840).pdf/112

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ich auf das Hausbuch und den Segensblick des Gerechten auf dem zweiten Blatte.

Die Dame selbst sitzt neben ihrem entschleierten Spiegel unter den Händen des Friseurs, mit einem Pudermäntelchen angethan, zu züchtig-ökonomischer Bedeckung der – – Stuhllehne. Von dem innern Kriege, den wir auf dem ersten Blatte auf ihrer Stirn bemerkten, ist auch nicht eine Spur mehr vorhanden. Auch scheint aller Rost der Altstadt (City) weggeschliffen, und alles Linkische, das ihr aus der Kostschule anklebte, wegcultivirt. Vielmehr bemerkt man nicht ohne Vergnügen eine gewisse Behaglichkeit in ihrem Wesen, vermuthlich die Folge froher Aussichten in das Vergangene oder in die Zukunft. O! hätte doch häusliches Glück, und namentlich die Begebenheit Antheil daran, wovon wir ein sehr sprechendes Zeichen von der Stuhllehne herabhängen sehen! Es ist eine silberne Kinderrassel, mit der Zahn-Coralle, was da herabhängt; die Dame ist Mutter! – Aber leider! leider! Keine Spur von Empfindungen eines Mutterherzens; dazu ist alle Fähigkeit lange, lange – wegcultivirt! O! es läßt sich, ohne das Haushofmeister-Gesicht dazu zu machen, kaum denken, woher die Behaglichkeit in diesem Zuckergesichtchen jetzt rührt. Von dem Duett, das dort aus Weidemann’s Flöte und Carestini’s Goldmäulchen hervorgeht, vernimmt sie nichts, deutlich wenigstens nicht. Sie lauscht vielmehr einzig und allein auf das entzückende Solo ihres geliebten Procurators, Silbermund, der ihr da in ihrem eigenen Schlafgemach, mit orientalisch-weichlicher Gemächlichkeit, als wäre es in seinem Harem, auf einem Sopha gegenüber ruht. In seiner Rechten hält er ein Einlaß-Billet zu der heutigen Maskerade, das er seiner Dame anbietet, oder wirklich überreicht[1]. Was Herr


  1. So wird die Sache von allen Auslegern erklärt, die sich auf diesen Artikel einlassen, und ich kenne die Einrichtung solcher Billete zu wenig, um ihnen geradezu zu widersprechen; sehr wahrscheinlich aber ist mir diese Erklärung nicht. Denn erstens hat das Blatt gar kein Billetformat, wenigstens sehen die zu Concerten anders aus, und zweitens ist es offenbar zerlumpt. Wer in aller Welt wird seiner Dame, und wäre sie auch keine Gräfin, einen solchen Einlaß-Wisch überreichen? Sollte das Blatt nicht irgendwo an einer Straßenecke angeheftet gewesen seyn, von welcher es Herr Silbermund beim Hierherfahren etwas eilig abnehmen ließ, um sich wegen des Datums darauf zu beziehen? So wäre es mehr ein Avertissement, als ein Einlaß-Billet. Juristen lieben die Belege und Zettel, und Papierrollen in der Hand waren seit jeher das Attribut der Oratoren. Die Worte 1 door, 2 door, 3 door (erster, zweiter, dritter Eingang) scheinen auf die Erfrischungszimmer und die verschiedenen Preise des Zutritts zu denselben zu gehen. Was aber die auf dem Blatte befindlichen Kritzeleien bedeuten sollen, ist mir ganz unverständlich, und war es auch einigen Engländern, die ich befragt habe. Wäre es etwa abgetrockneter Schmutz, so könnte das Blatt in seinem Dienst an der Mauer wohl gar den gerechten Unwillen des redlichen, oft sehr richtig fühlenden und rechtlich denkenden John Bull’s erfahren haben, der sich bekanntlich der Einführung dieser Lustbarkeiten oft nachdrücklich widersetzte. Aber warum hat Hogarth gar keinen weitern Schriftzug auf dem ganzen Blatt angebracht, als die Worte 1 door etc.? Dieses kann nur von Leuten ausgemacht werden, die mit den Gebräuchen der damaligen Zeit bekannt sind. Die Entdeckung der wahren Bedeutung dieses Blattes mit seinem Schmutz oder seinen phantastischen Zügen wäre gewiß ein Gewinn für die Satyre, die in dieser Scene liegt.