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wenn er die Wellenlinien weglassen darf. Ein Drechsler würde den Hals der Venus noch schöner verfertigen, wie Praxiteles, wenn die Schönheit derselben in der Rundung und nicht in der Wellenlinie bestände. Aus demselben Grunde lassen sich Beine, die durch Krankheit angeschwollen sind, mit derselben Leichtigkeit copiren, wie bloße Pfosten, Figur 68 B 2.

Auch noch in weiterer Art, wie in Knochenbildung und Muskelverbindung, wird von der Natur die Wellenlinie am menschlichen Körper angebracht, um die Schönheit desselben zu bewirken. Da wo der Uebergang der Muskeln in einander zu hart und plötzlich ist, wo ihre Schwellungen zu stark, ihre Höhlungen zu tief sind, um Schönheit der Außenlinien hervorzubringen, hat die Natur diese Härten gemildert, die Höhlungen mit einer genügenden Masse Fett gefüllt, und das Ganze mit der sanften Haut bedeckt, welche sich an die äußere Form der inneren Theile straff anlegt, und dem Auge die Außenlinien des Inneren mit der größten Feinheit der Form und Grazie darstellt. Daß Wellenlinien so hervorgebracht werden, kann man sehr leicht erkennen, wenn man einen Draht an diese äußere Form anschmiegt, so daß sich derselbe biegt und dann die Biegung beibehält.

Durch die geringere oder größere Anwendung der Wellenlinie bei der äußeren Körperform wird somit der Meister erkannt. Dadurch entsteht jene Eigenthümlichkeit, woran man die Hand des Meisters erblickt, und welche selten in den besten Copieen wiedergegeben wird. Um dies zu erläutern, wird ein Körpertheil gewählt, welcher nur vier Muskeln enthält.

Figur 76 B 2 stellt einen Theil der linken Seite unter dem Arme mit einem kleinen Theile der Brust dar, und enthält einen besondern Muskel, welcher wegen der Aehnlichkeit seiner Enden mit den Zähnen einer Säge, an sich selbst betrachtet, ohne Schönheit ist. Diese Figur ist zur Erläuterung um so geeigneter, da die regelmäßige Form um so mehr die Hand des Künstlers erheischt, welcher ihr mehr Mannigfaltigkeit ertheilen muß, als sie ursprünglich besitzt.

Betrachtet man die Darstellung dieses Theiles nach einer anatomischen