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man ihm auf Spießen aus der Ferne wies. Man sagt, die letztere Attaque habe weher gethan als die erstere, weil man sie mit nichts erwidern konnte, und jeder Schuß immer richtig traf. Auf der linken Seite ist alles viel verträglicher, selbst das Aermchen zeugt blos von Gesprächigkeit. Ich habe sie zuweilen so gesehen, wo gar kein Feind im Spiele war, sondern blos der unschuldige Nächste.

Noch können wir das Köpfchen nicht verlassen. Wäre die ganze Scene kein Ueberfall, und eigentlich ein Frühstück, das der argwöhnische Jude zu einem Zufrüh-Stück gemacht hat: so würde ich die Frisur des Mädchens fast für ein künstliches Frühstück halten. Was das sein mag, daß zerstörte Frisur ein schönes Gesicht besser kleidet, als die, von der man nur so eben das Baugerüste abgenommen hat? Der Grund von diesem Reize muß sehr tief liegen, und ganz in menschlicher Natur. Denn selbst die niedrigste Classe des weiblichen Geschlechts fühlt, daß es wenigstens einträglicher ist, die Frisur zuweilen aus dem Gesicht zu schütteln, als sie zurück zu stecken. Die Römerinnen haben das längst gefühlt. Freilich, was fühlten die nicht?

Et neglecta decet multas coma. Saepe jacere
Hesternam credas; illa repexa modo est.
[1]

„Was dem Mädchen so reizend läßt, hältst du für Trümmer der gestrigen Frisur? Du armer Tropf! So eben ist sie erst fertig geworden.“ – Es sind Ruinen, die man auch in englischen Gärten sogar bekanntlich ganz neu baut, um die Aussicht zu verschönern. Da zielt es auf Andacht über Hinfälligkeit aller menschlichen Pracht und Größe nach Jahrhunderten. Hier ist die augenblickliche Rechnung auch chronologisch, geht aber allein auf Möglichkeit von mystischer Zerstörung in einer einzigen Nacht. Höchst ungewiß muß diese Möglichkeit allerdings sein, sonst ist alles verloren, und die wärmste Begeisterung erfriert an einem ekelhaften, kalten Perückenstock. – Die guten jungen Weiber, die sich in


  1. Ovid. Ars. am. III. 1 3.