Seite:Hogarth erklärt von Lichtenberg (Kottenkamp Stuttgart 1840).pdf/32

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

endlich in den Strudel politischer Bewegungen stürzte, von denen er durchaus Nichts verstand, und worin er deßhalb eine klägliche Rolle spielte. Der Grund zu diesem Verfahren von seiner Seite scheint, neben seinem Alter und seinem Mangel an allgemeinerer Bildung, zugleich der Umstand gewesen zu sein, daß er im Jahre 1757 Sergeant painter des Königs wurde, eine Stelle, wozu er allerdings als erster damaliger Maler Englands ein Recht besaß, für die er sich jedoch seinem Charakter und seiner Erziehung nach nicht eignete. Er kam dadurch in neue Kreise und Verbindungen, mußte einerseits seinen Humor bei Führung des Pinsels zurückhalten, und hielt es seiner neuen Würde für angemessen, sich in dem höheren historischen Style zu versuchen. So entstand ein Gemälde, das ihm zahlreiche Kränkungen verursachte, wobei er jedoch dieselbe Schwachheit bewies, wie sein Freund Garrick hinsichtlich seiner Gedichte. Er hielt es für eines der vorzüglichsten Bilder, die er jemals geschaffen hatte, und wurde durch den allgemeinen Tadel nur noch mehr in seiner Einbildung bestärkt.

Dies Gemälde war die trauernde Sigismunda, welche das Herz ihres ermordeten Gatten erhält, nach der Novelle des Boccaz, womit die Engländer um so mehr bekannt sind, da Dryden denselben Stoff behandelt hatte. Die Veranlassung zu diesem Bilde Hogarth’s gab eine Sigismunda von Furino, welche damals in London öffentlich versteigert, und von den Kunstkennern nach Gebühr gepriesen wurde. Hogarth wie Walpole sagt, wurde durch letzteren Umstand eifersüchtig, und gelangte allmählig zu der Einbildung, alles den großen italienischen Meistern ertheilte Lob sey allein durch Vorurtheile bewirkt worden, indem man ihre Gemälde nur wegen des Alters für ausgezeichnet halte[1]. Er suchte dies durch sein eigenes Beispiel zu beweisen, und wählte eben jene Sigismunda als Sujet, um mit den Italienern zu wetteifern. Sein Versuch aber mißlang vollkommen. Das Gemälde befindet sich gegenwärtig im Besitz der Herren Brydell, und verdient, nach dem Zeugnisse aller Kunstkenner, die es gesehen, das strenge Urtheil und den Spott der Zeitgenossen. Walpole beschreibt es auf folgende Weise: „Um des elenden Colorits nicht einmal zu gedenken, stellte Hogarth die Sigismunda als eine von ihrem Liebhaber fortgejagte Buhlerin dar, die mit Augen, von Wuth und Branntwein entflammt, den Putz, den er ihr schenkte, sich vom Leibe reißt. Um den Ekel, welchen eine so niedrige Vorstellung erweckt, noch mehr zu erhöhen, sah man ihre Finger mit dem Blute vom Herzen ihres Liebhabers besudelt, und dieses lag vor ihr wie ein Schafherz, das sie verspeisen wollte. Man erblickte weder den stillen Gram, noch die Würde des unterdrückten Kummers, noch die zurückgehaltene, aber dennoch hervordringende Thräne, noch das gelassene Sinnen über das sie selbst bedrohende Schicksal, noch auch die durch Verzweiflung geheiligte Begeisterung der Liebe. Kurzum, man vermißte Alles, was erfordert wurde, und bemerkte Alles, was einer Seele fremd sein sollte, die so mannigfache, so tief und süß gefühlte Leiden empfindet. Hogarth’s Gemälde war ein lächerlicherer Gegenstand, als irgend einer von denen, die er jemals lächerlich zu machen gesucht hatte.“ – Nachher spricht Walpole von Hogarth’s Vorliebe für dieses Bild, und bringt den


  1. Schon in der Analyse der Schönheit, worin er übrigens noch kein so verdrehtes Urtheil in Hinsicht der italienischen Schule zeigt, findet sich die zum Wenigsten sonderbare Bemerkung. „Die Wellenlinie sei von Rafael in Behandlung der Gewänder bis zum abgeschmackten Uebermaß angewandt.“