Seite:Hogarth erklärt von Lichtenberg (Kottenkamp Stuttgart 1840).pdf/352

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

kömmt hier bloß auf Geschmack an. Daß der Bortenhut an der Wand unserem Re zugehört, bedarf kaum einer Bemerkung.

Auf Re folgt Mi, ein bloßes Kind, der erbarmungswürdigste Gegenstand auf diesem Blatte. Kaum in die Zehnen getreten[1] ist es schon unter diesem Dache und büßt für Verbrechen, wovon es keinen Begriff hatte, und wovon man ihm bloß die Begehrungs-Formen einpeitschte, wie dem Pudelhund seine Kunststücke. Wer aus dem Wohnsitz der Tugend, ich meine aus den kleinen Städten Deutschlands, nach London kömmt, dem muß das Herz bluten, wenn er an einem Abend sich von solchen Geschöpfen von zwölf, dreizehn Jahren, herausgekleidet wie Balletschäferinnen, angefaßt und mit theatralisch-zärtlichen Umarmungen aufgehalten sieht. Es geht über alle Vorstellung. Sie sprechen mit kindlich-liebreichen Stimmchen und einer Volubilität, die offenbar von Auswendiglernen zeugt, über Dinge, wovon sie sicherlich kein Wort verstehen. Man würde sie daher fast für Confirmanden halten, wenn alles dieses nicht aus einem Catechismus hergesagt würde, dergleichen nur Charters oder der Teufel verfassen kann. Es ist himmelschreiend[2].


  1. S. die Anmerkung oben S. 217.
  2. Da wir im Text einmal so weit gegangen sind, so ist es unsere Pflicht, auch anzumerken, daß man in London diesem Unheil mit aller Kraft zu steuern gesucht hat, die bei einem Volke, das nicht selten auch zur Unzeit auf seine Freiheit pocht, nur angewendet werden kann. Aus Veranlassung, und nun unter dem Schutz und durch Unterstützung Unserer Königin, existirt dort das Magdalenen-Hospital, worin Mädchen von dieser Profession, die das Elend ihrer Lage fühlen, und ihre Lebensart bereuen, aufgenommen und zu bessern Menschen von neuem erzogen werden. So ward also tiefes, bejammernswürdiges Verderben der menschlichen Natur von der einen Seite, der erhabensten Tugend von der andern wieder Veranlassung, sich, zur Ehre der Menschheit, in ihrem größten Glanze zu zeigen. Wie wenig indessen manche dieser Geschöpfe geneigt sind, davon Gebrauch zu machen, erhellt aus folgender Geschichte: Eines Tages wurde ein solches Mädchen, vermuthlich durch wohlmeinende Verwandten, mit Gewalt dahin abgeführt. Sie schrie erbärmlich im Wagen. Vorbeigehende, die eine Entführung vermutheten, hielten das Fuhrwerk an, und fragten, was man vorhätte? I, schrie das Mädchen, da wollen sie mich nach dem Hospital der bußfertigen Jungfern schleppen, und ich bin weder das eine noch das andere.