Seite:Hogarth erklärt von Lichtenberg (Kottenkamp Stuttgart 1840).pdf/417

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Ich sagte, sie weine im eigentlichen Sinne des Wortes, denn sonst, weiß man, gibt es bei diesem Geschlechte noch eine andere Art von Thränen, womit es nicht sowohl Erleichterung im Schmerz, als vielmehr den Schmerz selbst erst sucht, wenn es ihn nicht gleich finden kann. Von dieser ist hier die Rede nicht.

Das Mädchen heißt Sarah Young. Man sieht dieses aus der ansehnlichen Sammlung von Liebesbriefen, die die Mutter da in der Schürze trägt. Der Roman muß lange oder wenigstens hitzig gespielt worden sein. Alles, was sich davon lesen läßt, ist erstens die Adresse nach Oxford, dann die Formel dearest Life (theuerstes Leben, ein bloßes praemissis praemittendis statt Hochedle oder Hochedelgeborne), und endlich to marry You (Dich zu heirathen). Das Uebrige hat der Künstler durch leere Räume ausgedrückt; in den Originalen waren es vermuthlich Worte von gleichem Gehalte. Also die Ehe hatte der Unhold dem Mädchen versprochen. Wirklich sieht man auch in ihrer Hand einen Ring, den sie ihm, vermuthlich mit ausgestrecktem Arme, entgegenhielt, um ihm auch darin sein Versprechen zu weisen. Aber – sie fand die Zeiten nicht mehr, und so sank der Arm erschlafft an den verlassenen, so treulos verlassenen Leib zurück. Die Schürze voll Wechsel, die dieser Bursche ehedem eigenhändig auf sein Herz stellte, will er nun, da dieses zu zahlen aufgehört hat, mit dem Beutel honoriren, und reicht ihr, zugleich mit dem Protest, eine Handvoll Guineen hin. „Es thut mir leid, Jungfer (dearest Life), daß Sie, wie ich sehe, in anderen Umständen ist, aber das bin ich jetzt, wie Sie sieht, auch. Hier hat Sie etwas für Ihre Mühe und Gütigkeit. Es gibt mehrere junge Leute in Oxford – Man kann nicht wissen. – Nimm Sie das. Denn nimmt Sie es nicht – gut, so gebe ich es der Justiz, und dann kriegt Sie gar nichts.“ – So etwas könnte wohl aus dem offenen Mäulchen geflossen sein. Indessen das Geld wird verschmäht: von der Tochter gewiß. Für die ist Alles dahin. Diese greift so wenig nach diesem Gelde, als das Marmorbild, das in einer Kirche über der Urne einer Heiligen weint, nach dem Trinkgelde für den Küster, der es dem Reisenden explicirt hat. Auch die Mutter hier,