Seite:Hogarth erklärt von Lichtenberg (Kottenkamp Stuttgart 1840).pdf/418

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wiewohl ganz im Fleische, und vielleicht etwas zu viel, verweigert es. Fäustchen, so geballt, wie das ihrige, und von solchen Gesichtchen unterstützt, nehmen kein Geld, und noch weniger nimmt es ein solcher Ellbogen, das eigentliche Sinnbild der Repulsion. „Wiegst Du, Schurke, die Ehre meiner Tochter jetzt auf dieser Wage?“ sagt sie, und aus dem wüthenden Blicke und überhaupt dem ganzen Anstand zu schließen, vermuthlich mit einem Wetterchen von Segenswünschen und Weissagungen, die diesesmal, zur Freude der Sittsamkeit und Tugend selbst, alle pünktlich in Erfüllung gehen. An drei Fingern von den vieren, die bei diesem Weibe sichtbar sind, stecken Ringe. Vielleicht hat man sie zu diesem Besuche, dessen Ausgang man nicht wissen konnte, als Putz angesteckt, zu zeigen, man sei so kahl noch nicht, um des Geldes wegen zu kommen[1].

Alles dieses hört und sieht das Herrchen an, steif und mit ausgestreckten Arm, wie ein Weg-Pfosten, und wahrscheinlich mit eben so vieler Empfindung. Er, der Ehre und gekränkte Unschuld vergessen konnte, vergißt nicht einmal den kleinsten Erleichterungsdienst gegen den Schneider, und hält ihm sorgfältig den Rockschooß zurück, den Messungen Platz zu machen.

Ich habe oft gehört, daß die Schneider immer desto schlechtere Arbeiter sein sollen, je mehr sie aussehen wie die Schuster. Ist diese Beobachtung richtig, so muß dieses ein erbärmlicher Stümper sein, denn der sieht völlig aus wie ein Schuhflicker. Irre ich nicht, so ist auch der Kerl wirklich über die Hälfte Kalbleder. Auch ist, wie mich dünkt, so etwas von theosophisch-apokalyptischem Licht, das um die Stirne und die Lippen des Knieenden gaukelt, nicht zu verkennen, und diese Beatification, wenn sie sich auch hier und da zuweilen etwas,


  1. Auf dem dritten Blatte von Hogarth’s „Heirath nach der Mode“ findet sich ein diesem ähnliches Gesicht, mit ähnlichem Affect und Blick. Da ist es kein Mutter-Gesicht. Ringe an den Fingern würden da als etwas entfernte Mittler gedacht werden müssen, zwischen der verführten Unschuld und dem Verführer.