Seite:Hogarth erklärt von Lichtenberg (Kottenkamp Stuttgart 1840).pdf/546

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Promotion hat der Künstler hier gewählt. Der Blick des Leidenden ist unbeschreiblich, und es ist kaum zu begreifen, wie ein Mann wie Gilpin, der sonst der Zeichnung Gerechtigkeit widerfahren läßt, dieses Gesicht bedeutungslos hat finden können. Herr Ireland rechtfertigt unsern Künstler vortrefflich. Dem verstorbenen Hrn. Mortimer, einem Manne von den größten Künstlertalenten, wurde, wie er sagt, einmal aufgegeben, einige der Leidenschaften zu zeichnen, so wie sie Gray in seinem berühmten Gedicht auf eine entfernte Ansicht des Schulgebäudes zu Eton nach einander darstellt. Unter diesen war denn auch

Moody Madness laughing wild
Amid severest woe.

„Des grämlichen Wahnsinns leeres Gelächel, mitten im herbsten Schmerz.“ Sogleich holte Hr. M. aus einem Portefeuille das achte Blatt von Hogarth’s Liederlichen. Hier, sagte er, indem er auf die Hauptfigur hinwies, ist Alles beisammen. Wenn ich diesen Kopf nicht gesehen hätte, würde ich es kaum für möglich gehalten haben, so viel entgegengesetzte Gemüths-Bewegung in einem und demselben Gesicht auszudrücken. Ich könnte hier nichts thun, als abzeichnen; jeder Strich, der anders wäre, würde eine Abweichung vom Charakter sein. – Dieses ist die so genannte Bedeutungslosigkeit dieses Kopfes.

Hinter ihm kniet wieder Sarah Young, theilnehmend an seinem Leiden. Hr. Gilpin findet diesen Zug unnatürlich, und die Moral tadelhaft. Freilich wohl. Es wäre vielleicht besser gewesen, das Mädchen wäre nach Rakewell’s Verheirathung nie wieder erschienen. Ich dachte ehedem auch so, und Herrn Gilpin, einem Geistlichen, ist seine Bemerkung zwiefach zu vergeben. Sie ist und bleibt aber immer besser gedacht als empfunden; ein gutes Aufführungs-Exempel für die, die nach jedem Exempel leben können, und nicht gleich eines bei der Hand haben. Aber das Herz, das Herz – hat seine eigene Methode. Wahre Liebe,