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kleinen, und manche kleine, wie die Vorderräder an einer Kutsche dreimal und drüber herumkommen, während die großen eine einzige Revolution machen. Hingegen nöthigt man in England durch einen eignen Kunstgriff die Glocken, groß und klein, gleich lange dauernde Schwingungen hinter einander zu machen, so daß also ein ungleiches Geläute von sechs Glocken ungefähr gerade so klingt, als wenn jemand auf einem Clavier die Tasten ut, re, mi, fa, sol, la nach einem gewissen Takt nach einander anschlüge, und wenn er damit durch ist, wieder von vorn anfinge: ut, re, mi u.s.w. Nur fängt man mit den höhern Tönen an, und steigt so zu den tiefern herab[1]. In diesem Geläute, glaubte unser guter Whittington, der die Hausthüre nur sanft beigemacht hatte, die Worte zu hören, die bei dem dortigen Volke, zumal der gesprächigen Classe, die, neben


  1. Da man in England die Glocken des Kirchspiels läuten lassen kann, so oft man will, wenn man dafür bezahlt, so hört man sie, zumal in den östlichen Gegenden der Stadt und in den Provinzial-Städten, sehr häufig, bei allerlei Veranlassungen. Zu meiner Zeit ließ sie zu Richmond, als ich eben da war, ein gewisser Herr Gardner läuten, weil er die englischen Astronomen nunmehr überzeugt zu haben glaubte, der Mond drehe sich nicht um seine Axe, und bei der Gelegenheit eine große Summe Geldes unter die Armen austheilen ließ. Ich kann nicht läugnen, daß mir dieses Geklimper öfters unerträglich gewesen ist. Ich weiß in Deutschland nichts damit zu vergleichen, als ein altes Studentenlied, das mit All mein Leben lang anfängt, mit All mein Leben lang fortfährt und endlich, wenn es sich schließt, auch mit All mein Leben lang schließt. Doch geht diese Aehnlichkeit mit jenen Glocken nur auf den Text, nicht auf die Melodie des Liedes, die wirklich drei Variationen hat. Bei dem deutschen Geläute, wo die Glocken ihren natürlichen Schwung behalten, entstehen freilich öfters und meistens barsche Dissonanzen. Aber, da sie sich gewiß nicht selten auch in gefällige Akkorde auflösen, so ist es oft angenehm zu bemerken, wie sich die akkordirenden Töne einander, wie die Theilungs-Striche an einem Bernier den Strichen der Haupttheilung, immer näher und näher rücken, bis sie endlich zusammenfallen. So entsteht wenigstens Mannigfaltigkeit. Bei dem englischen Geläute ist nichts dergleichen. Wer die erste Ton-Folge gehört hat, wird All sein Leben lang nichts anderes hören.