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einem gewiß sehr überlegten Plane, der Lebensgeschichte eines jeden seiner Helden sechs Blätter zugedacht. Weniger konnten es ihrer nicht wohl sein, wenn leichte und natürliche Uebergänge erhalten werden sollten. Da fand es sich denn bei der Ausführung, daß das, was nun einmal nöthig war, seinem Genie eben nicht immer behagte. Er erfüllte also zwar bei solchen Gelegenheiten seine Pflicht treu und redlich, war aber auch herzlich froh, wenn er sie erfüllt hatte, und eilte nun den Scenen zu, wo diese Erfüllung zugleich Bedürfniß für seinen Geist war. Sein Werk wird also immer reichhaltiger, jemehr sich die Geschichte ausbreitet, und das Genie des Künstlers erscheint schier in seiner völligen Glorie da, wo diese Familiengeschichte endlich (und das will in London schon was sagen) zur Stadtgeschichte wird. Bei einem geschriebenen Roman, wo gewöhnlich weder der Blätter- noch selbst der Kapitel-Wechsel von sonderlicher Bedeutung für das Stück selbst ist, würde man so etwas kaum bemerkt, vielweniger Nachläßigkeit genannt haben. Aber bei dem in Kupfer gestochenen verhält sich Alles ganz anders. Wer da ein Blatt umschlägt, glaubt einen Vorhang aufzuziehen, der vor dem nächstfolgenden hing. Das neue Blatt läßt wie ein neuer Actus des Schauspiels, und von dem gleichen Format erwartet man gleiche Fülle in der Darstellung. Bei gedruckten Werken merkt man es bei weitem nicht so leicht, wenn der Herr Verfasser, um ein Kapitelchen voll zu kriegen, zwei Drittel davon mit leerem Papier ausstopft. – Bei einer künftigen Theorie der hogarthischen Romane, die, so viel ich weiß, noch nicht entwickelt ist, wird vielleicht ausgemacht, daß es nöthig wäre, manche Uebergänge von einem Folioblatt zum andern durch Duodezblättchen in Vignettenform zu machen, und wenn denn doch nun einmal in menschlichen Kunstwerken dieser Art leere Räume nicht zu vermeiden sind, sie wenigstens so klein zu nehmen, als möglich.

Um indessen nicht ungerecht zu sein, muß man bedenken, daß der Tadel, von dem hier die Rede ist, doch nur dieses vierte Blatt hauptsächlich trifft, das fünfte und sechste schon sehr viel weniger, und von allen bleibt, wie mich dünkt, das oben gegebene Urtheil wahr: das Korn ist immer gut, nur an Schrot scheint es zu fehlen. –