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Walther Kabel: Hungertod. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 2, S. 233–235

Ebensowenig widerstandsfähig zeigen sich Vögel. Die meisten Arten gehen schon nach zehntägigem Fasten ein. Steht ihnen Wasser zur Verfügung, so halten sie es einige Tage länger aus. Auffallend ist es, daß Vögel, die in der Gefangenschaft großgezogen sind, an Nahrungsmangel bedeutend schneller eingehen als wildlebende. Besonders hinfällig sind zum Beispiel zahme Kanarienvögel. Sie sterben schon nach drei Tagen an Hunger.

Auch Fische erweisen sich als schlechte Hungerkünstler. Viertägiges Fasten bringt den meisten von ihnen den Tod. Eine Ausnahme bilden nur die Raubfische. Fischzüchter haben beobachtet, daß Hechte es ohne Nahrung bis zu zwölf Tagen aushalten. Ein junger Haifisch, der für das Pariser Museum für Meereskunde bestimmt war, blieb in seinem Wasserbehälter durch ein Versehen vierzehn Tage in dem Güterschuppen von Le Havre stehen, ohne daß sich jemand um ihn kümmerte. Als man sich seiner endlich erinnerte, war er noch äußerst lebendig, fraß die ihm vorgeworfenen Fleischstücke mit bestem Appetit und überstand dann auch den weiteren Transport bis an seinen Bestimmungsort tadellos.

W. K.
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Hungertod. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 2, S. 233–235. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1913, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hungertod.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)