Seite:Idealisten 44 34.jpg

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Born erwiderte nichts, aber Wendt eiferte:

„Es ist wirklich schändlich – ich habe euch ja im voraus gesagt, daß die Walujeff ein gefährliches Geschöpf ist, das, wie ich glaube, mit den Männern bisher nur gespielt hat, und daß etwas von der grausam-graziösen Katzennatur in ihr steckt, aber wer will ihr das bei ihrer ganz originellen Schönheit verdenken, die ihr alle Männer, alte wie junge, zu Füßen legt? Sie amüsiert sich über die Huldigungen, die man ihr darbringt, sie sieht es als selbstverständlich an, daß jeder die Sache so leicht nimmt, wie sie selber, und ihr Leichtsinn und ihre Koketterie sind ganz und gar harmlos.“

„So? wissen Sie das so genau? Ich behaupte, sie hat keine Rasse, d. h. sie gehört zu den Frauen, denen im Grunde außer der äußerlichen Schönheit alles fehlt, Temperament und Herzenswärme, Tiefe und Ernst, Charakter und Ehrlichkeit, die kein anderes Lebensinteresse haben, als das, möglichst vielen Männern die Köpfe zu verdrehen und denen ein Mann genau so viel – oder genau so wenig gilt wie der andere. Sie kokettiert früh mit einem glatzköpfigen Greis, Mittags mit einem Manne in der Blüte der Jahre und Abends mit einem flaumbärtigen Fuchs, der eben erst zur Universität gekommen ist und der erst in einigen Jahren nothdürftig trocken hinter den mehr oder weniger langen Ohren sein wird, und die Huldigungen des einen schmeicheln ihr gleich sehr wie die des andern. Sie wird auch nur mit dem stillschweigenden Vorbehalt heiraten, dieses Spiel als Frau fortzusetzen, nicht aus Herzensunersättlichkeit, sondern aus purer blanker, verächtlicher Eitelkeit, und sie wird sich gegen alle Vorwürfe hinter die wohlbegründete Thatsache verschanzen, daß sie ja den einen wie den andern behandle, in jedem Hoffnungen erwecke und keinen bevorzuge. Daran, wie wenig ehrenvoll, wie beschämend und beschimpfend solche Huldigungen sind, denkt sie einfach nicht. Und nun denkt euch einmal als ihren Gatten einen normal organisierten Mann, der sie ehrlich und ernstlich liebt, der sie zu sich emporheben möchte und der dazu verdammt ist, Tag für Tag Augenzeuge zu sein, wie sie lieber die Seelenruhe des Gatten vergiftet, als auf die läppischen Fadaisen eines Fähnrichs verzichtet, die sie doch eigentlich von Grund ihrer Seele langweilen; es muß das eine beneidenswerthe Existenz sein, nicht wahr? Es laufen genug solcher vom Satan der Eitelkeit besessenen Frauen in Sammt und Seide herum; ich kenne mehr als eine und weiß von mehr als einer, wie sie dem bravsten und nobelsten Mann die Ehe zum Fegefeuer, sein Heim zur Hölle gemacht hat. Und in diese Klasse gehört diese Walujeff, oder ich bin auf meine alten Tage noch der Gefahr ausgesetzt, eine Nachtigall für einen Zeisig zu halten.“

Der kleine Herr hatte sehr ernst und mit einem Nachdruck gesprochen, den seine jungen Freunde nicht oft zu hören bekamen und der ihnen immer imponierte.

Wendt schwieg, gekränkt und beleidigt; Born sah nachdenklich empor zu den flimmernden Sternen, als wolle er aus ihnen die Wahrheit lesen und nur Lindner bemerkte fast schüchtern:

„Sie haben einen gewissen Hang zu extremen Urtheilen; sollten Sie nicht doch am Ende auch hier das Kind mit dem Bade ausschütten?“

Reinisch klopfte ihn freundlich auf die Schulter. „Guter Lindner, Sie sind trotz aller Gelehrtheit ein Kind in Bezug auf die Frauen, und wenn Sie Sich für den Verkehr mit dieser Tatjana einigermaßen präparieren wollen, so lesen Sie recht aufmerksam Paul Heyses ‚Salamander‘. Warnt Sie dieses Kabinetsstück psychologischer Analyse nicht, nun, so spannen Sie Sich eben auch mit vor den Siegeswagen dieser Schönen – ich weiß, Sie reißen Sich bald genug wieder los und laufen irgend einem Admiral oder Trauermantel nach, der über den Weg flattert – um Sie ist mir am wenigsten bange.“

„Wendt und Born geben Sie also verloren, wie es scheint,“ fragte Arvenberg lächelnd; „darf man sich erkundigen, welches Horoskop Sie mir stellen?“

Das klang ziemlich spöttisch und sicher, aber Reinisch gab rasch zurück:

„Hüten Sie Sich, mein Herr Philosoph und Kritiker! Man kann ein sehr sattelfester Philosoph sein, man kann sehr genau wissen, daß und warum ein ernsthafter Mann, der seinen Schopenhauer gelesen, beziehentlich studirt hat, nicht auf den närrischen Einfall kommen darf, sich zu verlieben, am wenigsten da, wo man nicht achten kann, und doch schließlich an ein paar kleinen, zierlich beschuhten Füßchen kläglich Schiffbruch leiden! Gerade weil Sie Sich so sicher fühlen und der Gefahr lachen, halte ich es für sehr möglich, daß Ihnen der ‚Knalleffekt der Natur‘ den klaren Blick trübt und daß auch Sie Sich ein X für ein U machen lassen. Gegen die Frauen schützt keine Philosophie, und es wäre ja ganz drollig, wenn Sie mit Wendt und Born und Lindner marschirten und einer eifersüchtig auf den andern würde.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Idealisten. , Leipzig 1880, Seite 517. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Idealisten_44_34.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)