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Bei Nennung des Namens hatte sich auch Curt, dem Gebot der Höflichkeit gehorchend, langsam und gemessen umgesehen und dann seinem Sessel eine halbe Wendung gegeben, so daß er den Herren nicht länger den Rücken zukehrte; die Heiterkeit des Ulanen, der endlich wieder zum Reden kam, ließ ihn indessen völlig kalt und er legte auch nicht die geringste Wißbegierde an den Tag. Der Pole rief, noch immer aufs höchste belustigt:

„Man denke sich – Rajacic langweilt sich ohne Maitresse, ist aber zu faul und pomadig, sich nach einer umzusehen und beschwert sich allen Ernstes darüber, daß ihm noch keine angeboten worden ist. Will keiner von den Herren Kameraden, der vielleicht über seine Flitterwochen hinaus ist, so freundlich sein, im Falle der Separation an unsern bequemen Dragoner zu denken und ihm die Dame mit einem Empfehlungsschreiben zuzusenden? Kann niemand aushelfen – auch Sie nicht, Herr von Blenkheim?“ Curt runzelte die Brauen und auf seiner Stirn bildete sich eine tiefe steile Furche. Ich sah, daß es in ihm kochte und es klang verzweifelt scharf, als er erwiderte:

„Herr v. Borkiewicz, ich muß mir doch erlauben, Ihnen zu bemerken, daß derartige Scherze nicht nach meinem Geschmack sind; Sie werden jedenfalls besser thun, dergleichen Bemerkungen auf Kosten andrer zu machen, die sich dadurch nicht verstimmen lassen.“

Ich gestehe euch, ich war heftig erschrocken, als die leichtsinnige oder boshafte Frage von den Lippen des Ulaners fiel – mir war, als fiele mir ein Tropfen siedenden Bleis auf die Hand. Borkiewicz aber lächelte mit dem ganzen Gesicht und sagte im verbindlichsten Ton:

„Wann würde ich mir erlauben, auf Kosten Herrn v. Blenkheims einen Scherz zu machen? Dazu ist meine Hochachtung und Verehrung für Sie eine zu unbedingte. Indessen –“

Er hielt einen Moment inne und in dem Blick, mit dem er Curts sich mehr und mehr verfinsternde und verhärtende Miene musterte, lag etwas Lauerndes; dann fuhr er langsam fort:

„– Ich hielt es in der That für möglich, unserm Herrn Kameraden von den Dragonern und gleichzeitig Ihnen einen kleinen Gefallen zu thun. Sie können doch recht gut Ihrer augenblicklichen Maitresse überdrüssig sein –“

„Das kann ich nicht sein, da es nicht zu meinen Gewohnheiten gehört, mir eine Maitresse zu halten – was Sie übrigens wissen könnten!“ klang es kalt und scharf zurück.

Curt war dabei aufgestanden – ich sah ihm an, daß er sich mühsam im Zaume hielt und daß die Unterhaltung jeden Moment eine gefährliche Wendung nehmen konnte. Er hatte die Oberlippe halb trotzig, halb verächtlich aufgeworfen und die feinen Nasenflügel blähten sich in verhaltenem Groll. Hätte er jetzt Borkiewicz stehen gelassen, um zu einer Gruppe im Saal zu treten und sich bald darauf zu entfernen, so wäre wahrscheinlich alles noch gut abgelaufen, aber Curt hätte sich in diesem Moment auch durch vier Pferde nicht vom Platze bringen lassen und im nächsten Augenblick war es auch dazu – zu spät.

Der Ulan war augenscheinlich entschlossen, die Rolle des Verbindlichen und Arglosen, der nicht den geringsten Anlaß zu herben Bemerkungen gegeben hat und nicht zu errathen vermag, weshalb ihm so schroff begegnet wird, so lange als möglich fortzuspielen. Er zuckte auf Curts letzte Erwiderung nur die Achseln und sagte sehr artig:

„Verzeihen Sie, Herr v. Blenkheim, wenn ich Ihnen etwas Unangenehmes gesagt haben sollte – es ist gewiß absichtslos geschehen. Wie kann ich denn auch wissen – seien Sie gerecht! – daß sie Gründe haben, eine Thatsache ignorirt sehen zu wollen, die doch offenkundig ist und die obendrein absolut nichts Kompromittierendes oder gar Ehrenrühriges für Sie hat?“

„Unsere Ansichten dürften auch in dieser Hinsicht stark differieren – jedenfalls verstehe ich Ihre Anspielung nicht und muß Sie ersuchen, sich endlich so deutlich auszusprechen, daß ich im stande bin, durch eine ebenso deutliche Erklärung das immer peinlicher werdende Gespräch zu beenden.“

„Nun denn – aber es ist wirklich mehr als originell! Es ist ein öffentliches Geheimniß, daß Herr v. Blenkheim eins der schönsten Mädchen in Prag sein eigen nennt, und er steift sich darauf, das aufs positivste in Abrede zu stellen.“

„Sie bleiben also bei Ihrer Behauptung stehen, daß ich eine Maitresse unterhalte – ich nehme an, daß man Sie getäuscht hat oder das eine Verwechslung vorliegt, sonst würde ich gezwungen sein, zu den harten Worten Lüge und Verleumdung zu greifen.“

Rede und Gegenrede waren sich rasch und scharf und Schlag auf Schlag gefolgt – jede Vermittlung war unmöglich gewesen. Der Artillerist hatte sich mit mißbilligendem Kopfschütteln abgewendet und auch der Dragoner, der die beiden Sprecher erst mit fast dummer Verwunderung von oben bis unten gemessen

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Idealisten. , Leipzig 1880, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Idealisten_48_46.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)