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Uhren) an beiden Enden, senkrecht zu ‚ aufzuheben. Für den ruhenden Beobachter wird dies aber nicht zu gleicher Zeit geschehen, und zwar wird ihm in dem Moment, wo das eine Ende des Stabes mit zusammenfällt, dasselbe erhoben erscheinen, das andere Ende erst dann, wenn es mit dem Punkt zusammenfällt, also nach einer Zeit , die sich aus (26) berechnet. Der Stab wird für den ruhenden Beobachter einen Knick aufweisen, der sich für ihn mit einer Geschwindigkeit bewegen wird. Aus (28) erhalten wir

, (28)

denn ist, wie früher bemerkt, stets kleiner als .

Wir wenden uns jetzt zu der Gleichung (17), welche wir, da uns jetzt alle Größen und bekannt sind, folgendermaßen schreiben können:

. (29)

Nun nehmen wir an, es bewege sich etwas in der Richtung von mit einer Geschwindigkeit . Dann ist ‚ und wir erhalten aus (29), wenn wir zugleich den Einheitsvektor streichen,

. (30)

Aus (28) ersehen wir, daß sich der Knick für uns, d. h. für den ruhenden Beobachter, um so schneller fortpflanzt, je kleiner ist, also je langsamer sich in bezug auf bewegt. Denken wir uns jetzt an die Stelle der bewegten Beobachter, so wird uns die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Knickes unendlich groß erscheinen, denn die Beobachter heben ja den Stab zu gleicher Zeit laut ihren synchronen Uhren auf. Dasselbe Resultat erhalten wir auch aus (30). Denn ersetzen wir dort den Wert von durch aus (28), so ergibt sich .

Wir können demnach sagen, um die Bedeutung von noch prägnanter zu charakterisieren, daß diejenige Geschwindigkeit ist, welche man im System benötigt, um die Zeit im System einzuholen.

Die Existenz der Geschwindigkeit

ist als eine Folgerung aus dem Relativitätsprinzip aufzufassen und insbesondere ergibt sie sich als unmittelbare Konsequenz der Begriffe von synchronen Uhren und synchronen Messungen.

(Eingegangen 23. September 1910.)


Diskussion.

Sommerfeld: Die Unmöglichkeit der Überlichtgeschwindigkeit bei Vorgangsgeschwindigkeiten ist von Einstein daraus geschlossen, daß, oder wie er drastisch sagt, daß man mit der Überlichtgeschwindigkeit in die Vergangenheit telegraphieren könnte. Damit ist gemeint, nicht die Geschwindigkeit irgendeines Vorganges, sagen wir mal Signalgeschwindigkeit. Es gibt zweifellos mannigfache Vorgänge, die sich auch nach der Relativtheorie mit Überlichtgeschwindigkeit fortpflanzen dürfen. Bei anormal dispergierenden Körpern z. B. pflanzt sich die Phase des Lichtes fort mit einer Geschwindigkeit‚ die Überlichtgeschwindigkeit sein kann. Ein Widerspruch gegen das Relativitätsprinzip ist das gewiß nicht, denn mit einem ununterbrochenen periodischen Wellenzuge kann man kein Signal geben. Neulich hat mir Herr Einstein ein anderes einfaches Beispiel mitgeteilt, bei dem ebenfalls Überlichtgeschwindigkeit vorhanden ist, aber auch da handelt es sich nicht um eine „Signalgeschwindigkeit“. Denken Sie sich zwei Lineale, die unter einem sehr spitzen Winkel gegeneinander geneigt sind und bewegen Sie das eine etwa mit 1 cm Geschwindigkeit gegen das andere, so pflanzt sich der Schnittpunkt auf dem andern mit beliebig großer Geschwindigkeit fort. Sollte das Beispiel des Herrn Vortragenden nicht auch mehr Ähnlichkeit mit diesem Vorgang haben als mit einem Signal.

Vortragender: Gewiß; als Signalgeschwindigkeit habe ich das auch nicht bezeichnet. Wenn wir zwei Haken aufstellen, so wird, wenn wir den Stab bewegen, der Knick an den beiden Haken anstoßen, und wir können die Geschwindigkeit des Knicks messen. Ich möchte vorläufig dahin gestellt sein lassen, ob man damit auch Signale übertragen kann. Ich bin darauf gekommen durch die Untersuchungen über starre Körper (siehe Annalen der Physik 33, 607, 1910), wobei der starre Körper nach der Eulerschen Methode behandelt wurde. Dabei ergibt sich, daß die Geschwindigkeit sich innerhalb eines starren Körpers in ihrer eigenen Richtung mit einer Geschwindigkeit fortpflanzt.

Sommerfeld: Ich glaube, der Begriff des starren Körpers muß so weit modifiziert werden, daß die Reaktionen in ihm sich nicht mit Überlichtgeschwindigkeit fortpflanzen.

Vortragender: Wenn wir von der Bornschen Differentialgleichung ausgehen, so kommen wir zu einer Geschwindigkeit größer als die des Lichtes für die Fortpflanzung der Geschwindigkeit selbst. Wir haben ein Volumenelement, das wir als starr betrachten. Dieses Volumenelement

Empfohlene Zitierweise:
Wladimir Sergejewitsch Ignatowski: Einige allgemeine Bemerkungen über das Relativitätsprinzip. In: Physikalische Zeitschrift. 11. Jahrgang. S. Hirzel, Leipzig 1910, Seite 975. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:IgnatowskiBemerkung.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)