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bei seiner Bewegung auf Ruhe transformiert erhält seine Form. Das ist die Bornsche Differentialgleichung. Halten wir diese Bedingung ein, so ergibt sich Überlichtgeschwindigkeit. Wir wissen vorläufig nicht, wie sich tatsächlich der Körper bewegen wird, da wir keine Aussage über die inneren Kräfte des Körpers machen können. Die Bornsche Differentialgleichung ist nur eine Bedingung, der die Bewegung des starren Körpers genügen muß.

Born: Ich möchte zu der Bemerkung über den starren Körper nur einige Worte hinzufügen. In der Tat pflanzt sich in diesem jede Wirkung für einen mitbewegten Beobachter momentan, also für einen ruhenden Beobachter mit Überlichtgeschwindigkeit fort. Könnte man zeigen, daß das dem Relativitätsprinzip widerspricht, indem man auf diese Weise „in die Vergangenheit telegraphieren“ kann, so müßte man den Begriff des starren Körpers wohl aufgeben. Die Differentialausdrücke, durch deren Verschwinden ich die Starrheit definiert habe, blieben damit doch brauchbar, denn da sie ein Maß für die Deformation des Volumenelementes sind, müßten sie die Grundlage für eine dem Relativitätsprinzip genügende Elastizitätstheorie abgeben. Wie jene von dem Herrn Vortragenden erwähnte „Fortpflanzung der Geschwindigkeit mit Überlichtgeschwindigkeit“ zustande kommt, kann man in der Darstellung Minkowskis ganz anschaulich machen. Ich denke mir eine Stange von der Länge (der Redner zeichnet bei dem folgenden an der Tafel) und lege sie parallel der -Achse; senkrecht auf der -Ebene trage ich als dritte Koordinate die Zeit auf, um mir die sukzessiven Lagen der Stange zu vergegenwärtigen. Wenn die Stange ruht, wird sie offenbar durch Striche dargestellt, die in der -Richtung übereinander liegen und sich zu einem ebenen Bande parallel der -Ebene zusammenfassen lassen. Gibt man nun der Stange eine Bewegung in der Richtung der -Achse, so läuft das darauf hinaus, daß dieses Band nach der -Richtung hin verbogen wird. Soll die Stange am Schlusse wieder ruhen, so wird das Band schließlich wieder parallel der -Ebene. Um nun zu zeigen, daß der Vorgang sich mit Überlichtgeschwindigkeit fortpflanzt, nehme ich ein neues, bewegtes Koordinatensystem, d. h. in unserer Figur, ich führe gemäß den Lorentzschen Transformationen schiefwinklige Parallelkoordinaten ein, bei denen die -Achse gegen die -Achse und die -Ebene gegen die -Ebene geneigt ist. In diesem System werden gleichzeitige Ereignisse durch Ebenen dargestellt, die gegen die alte -Ebene schief liegen. Schneidet man nun das vorhin konstruierte verbogene Blatt mit einer solchen schiefen Ebene, so ist der Schnitt offenbar nicht gerade, sondern hat eine Ausbiegung, die sich nach rechts verschiebt, wenn man die schneidende Ebene nach oben rückt, d. h. sie bewegt sich nach rechts mit Überlichtgeschwindigkeit. Das andere Beispiel, von dem Herr v. Ignatowsky gesprochen, bezieht sich auf die Bewegung, die ich als Hyperbelbewegung bezeichnet habe (das Folgende wird wiederum an einer Zeichnung erläutert). Diese wird in der -Ebene durch eine Schar von Hyperbeln dargestellt, die die Geraden zu Asymptoten haben. Sie genügt meinen Differentialgleichungen der Starrheit und man kann leicht einsehen, daß die Punkte die gleiche Geschwindigkeit haben, auf den durch den Nullpunkt gehenden Geraden liegen. Diese Linien stehen aber schräg und ihre Neigung ist kleiner als die der Geraden . Die Stelle, wo die Geschwindigkeit herrscht, pflanzt sich also durch den Körper mit Überlichtgeschwindigkeit fort.

Vortragender: Ich hatte darüber noch einige Worte hinzufügen wollen. Einstein kommt auf folgende Formel hinaus (Annalen der Physik 23, 381, 1907),

und sagt, daß, wenn größer als ist ( bei Einstein ist das, was im Vortrag mit bezeichnet war), man stets so wählen kann, daß kleiner als Null, also negativ wird, d. h. daß man in die Vergangenheit telegraphieren könnte. Wenn man aber gleich ( im Vortrag) setzt, so wird der Zähler hier gleich Null, d. h. die Geschwindigkeit wird unendlich für das Koordinatensystem, in welchem der Stab sich befindet. Denn diese Geschwindigkeit () ist nichts anderes als diejenige, welche nötig ist, um die Zeit im bewegten Koordinatensystem, in welchem der Stab sich befindet, von uns aus, vom ruhenden System aus, einzuholen. Denn hätten wir eine Uhr, die sich mit dieser Geschwindigkeit von uns aus gerechnet bewegen würde, so bewegt sie sich für das Koordinatensystem, wo sich der Stab befindet, nach dem Obigen mit unendlich großer Geschwindigkeit; das kommt darauf hinaus, daß sie überall in dem System gleichzeitig vorhanden wäre. Also befinden sich in dem System beliebig viele synchrone Uhren, woraus folgt, daß diese Geschwindigkeit tatsächlich diejenige ist, um die Zeit in dem bewegten System einzuholen. Es ist also dieser Wert die Grenzgeschwindigkeit, bei welcher der Zähler obiger Formel Null wird, also gleich , aber nicht negativ. Eine größere Geschwindigkeit kann man sich eben nicht vorstellen.

Empfohlene Zitierweise:
Wladimir Sergejewitsch Ignatowski: Einige allgemeine Bemerkungen über das Relativitätsprinzip. In: Physikalische Zeitschrift. 11. Jahrgang. S. Hirzel, Leipzig 1910, Seite 976. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:IgnatowskiBemerkung.djvu/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)