Seite:Illustrirte Zeitung 1843 02.pdf/1

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Illustrirte Zeitung, Nr. 2 vom 8. Juli 1843



Nr. 2.] Leipzig, Sonnabend den 8. Juli. [1843.

Jeden Sonnabend 1 Nummer von 48 Foliospalten. – Vierteljährlicher Pränumerationspreis 12/3 Thlr. oder wöchentlich 4 Ngr. – Einzelne Nummern 5 Ngr.

Inhalt.

Das Jubelfest der Schul-Pforta. – Unser Wochenbericht. – Das Erdbeben auf Guadeloupe. – Die heutige Lage der gewerblichen Industrie in Deutschland. – Henson’s Luftdampfwagen.

Bach’s Denkmal. – Gartencultur in Frankreich. – Karl VI., Oper in fünf Aufzügen. – Ein Reisemärchen. (Fortsetzung.) – Literarische Anzeigen. – Modebericht. – Aufruf.



Das Jubelfest der Schul-Pforta.
I.

Die königliche Landesschule Pforta hat in diesen Tagen ihr dreihundertjähriges Stiftungsfest gefeiert, und die Theilnahme, welche Tausende von ehemaligen Schülern und deren Angehörige einem so denkwürdigen Ereignisse widmeten, fordert uns dringend auf, der Beschreibung des Festes eine kurze historische Nachricht vorausgehen zu lassen. In der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts lebte Graf Bruno, Herr der Landschaft Pleißen im jetzigen Altenburgischen. Als er das Unglück gehabt hatte, seinen einzigen Sohn Oetwin auf der Jagd zu verlieren, beugte ihn dies so tief, daß er, um seine ansehnlichen Güter zu dem, im Sinne der Zeit, besten Zwecke zu benutzen, im Jahre 1127 zu Schmölln im Altenburgischen ein Nonnenkloster stiftete. Aber eben so wenig als die Nonnen wollten hier Benedictiner-Mönche gedeihen, und da das Kloster überdies den Angriffen der umwohnenden slavischen Stämme ausgesetzt war, so gestattete Bischof Udo von Naumburg, daß sich im J. 1132 die Mönche in der Gegend zwischen Kösen und Naumburg, wo jetzt die Gebäude der Landesschule Pforta stehen, ansiedeln durften. Nachdem sich die Mönche von 1137 – 1140 in Kösen aufgehalten hatten, ohne daß hier jemals ein Kloster gestanden hatte, wie häufig gesagt wird, ward im J. 1140 das Cisterzienserkloster Pforte gegründet, Porta Beatae Mariae geheißen. Dadurch soll nach der gewöhnlichsten, obschon urkundlich nicht hinlänglich begründeten Meinung eine „Pforte zum Himmel“ angedeutet sein, woher das Kloster auch Porta coeli genannt wird. Das Kloster ward übrigens bald sehr reich, „fast wie eine Grafschaft“ nach den Worten eines alten Chronikenschreibers, und die Mönche genossen ihre Reichthümer in großer Behaglichkeit, bis die Reformation sie aus ihren Zellen trieb und 1541 der letzte Abt aus dem Kloster zog. In Folge dieser Kirchenveränderung bestimmte Kurfürst Moritz durch das Patent vom 21. Mai 1543, daß die ansehnlichen Klöster zu Pforta, Meißen und Merseburg sollten in Landesschulen verwandelt werden, von denen die letztere späterhin nach Grimma verlegt worden ist. Hundert Zöglinge sollten hier unentgeldlich unterrichtet und verpflegt werden, wozu noch außer den frühern Besitzungen die des Klosters Memleben angewiesen und ein Rector, Pastor, Conrector und Tertius zu ihren Lehrern bestimmt wurden. Am 1. November 1543 ward der erste Schüler oder Alumnus, Nicolaus Lutze aus Kindelbrück, aufgenommen, aber nicht vom Rector, sondern vom Schulverwalter. Dieser Tag ist bis jetzt als Stiftungsfest der Anstalt begangen worden; es ist jedoch durchaus richtiger, den 21. Mai als solchen zu betrachten, wie dies in diesem Jahre zuerst geschehen ist und ferner geschehen wird. Der erste Rector war Johann Gigas, ein auch als geistlicher Liederdichter (er ist z. B. Verfasser des schönen Liedes „ach, liebe Christen, seyd getrost“) nicht unrühmlich bekannter Mann.

Die Nachfolger des Kurfürsten Moritz, namentlich August und Christian II. im sechszehnten und siebzehnten Jahrhunderte, und Friedrich August im achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderte, bewiesen der Pfortaischen Schule vielfache Huld und Unterstützung. Freilich ward diese auch von den Verwüstungen des dreißigjährigen Krieges und von pestartigen Krankheiten heimgesucht, namentlich in den Jahren 1637 – 1647, und scheint damals ihrer völligen Auflösung nahe gewesen zu sein. Auch der Einfall der Schweden in Sachsen im J. 1706 und später der siebenjährige Krieg nahmen die Pforte durch Erpressungen und Lieferungen vielfach mit. Dagegen blieb sie im Kriege von 1806, obgleich in der Nähe der größten Gefahr, und bereits vor der Schlacht von Auerstädt von französischen Schaaren ganz umringt, fast unberührt; nur Lebensmittel wurden verlangt und die Verpflegung der Verwundeten gefordert. Auch im Jahre 1813 waltete, trotz der in ihrer Nähe gelieferten Schlacht bei Freiburg und der Gefechte bei Kösen, eine besondere Gnade der Vorsehung über ihr; sie erhielt von den Generalen Thielemann und Schwarzenberg Sicherheitswachen, und der Staatskanzler Hardenberg verwendete sich dafür, daß der Pforte alle nur mögliche Erleichterung in Hinsicht der Kriegslasten zu Theil wurde.

Ansicht von Schul-Pforta.

Seit dem Jahre 1815[WS 1], wo die Pforte mit dem Herzogthume Sachsen an die Krone Preußen übergegangen ist, hat die friedliche Ruhe im Innern und Aeußern keine Störung erfahren. Eine neue Organisation fand im Jahre 1820 Statt, wodurch fühlbare Mängel beseitigt wurden, aber die alten Sprachen fortwährend als das erste und vorzüglichste Bildungsmittel an der Spitze des gesammten

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Jahreszahl ist unleserlich; nach Recherche in der Geschichte der Schule korrekt
Empfohlene Zitierweise:
: Illustrirte Zeitung, Nr. 2 vom 8. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_02.pdf/1&oldid=- (Version vom 7.6.2018)