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Illustrirte Zeitung, Nr. 2 vom 8. Juli 1843


Farben ihres Portraits wurden darum nicht schwächer, sondern standen eben so lebhaft vor seiner Seele selbst noch in Java, wo er gern wachend von der deutschen Heimath träumte. Nie war er indessen wieder in jenes Städtchen gekommen. Als er nun nach Deutschland zurückkehrte, und es ihm weder in Berlin noch in Dresden, weder in Frankfurt am Main noch in Hamburg, kurz in keiner großen Stadt unseres lieben Vaterlandes recht behagen wollte, kam es ihm in den Sinn, es einmal in einem kleinen Städtchen zu versuchen, und bei dieser Gelegenheit fiel ihm jene artige Begebenheit wieder ein. Augenblicklich machte er sich auf und reiste hin, ohne recht zu wissen, was er dort eigentlich wolle; denn sich dort auf immer niederzulassen, daran dachte er am Wenigsten.

Als er dort anlangte, hatte er merkwürdiger Weise ganz vergessen, daß er der alte Major von Horn sei und ihm war völlig zu Muthe, wie wenn er noch der siebzehnjährige Page wäre. Dazu trug nun auch wol der Umstand, daß er in dem kleinen Städtchen nichts verändert und dasselbe, vorzüglich den ihm wohlbekannten Marktplatz, noch ganz so fand, wie er ihn vor mehr als funfzig Jahren an jenem Morgen gesehen. Ohne sich weiter zu bedenken, ging er daher auch, sowie er aus dem Wagen gestiegen war, nach dem Häuschen gegenüber, wo man ihn einst so freundlich bewirthet. In dem Häuschen wohnten aber jetzt Frau Forster und ihre Tochter. Maria öffnete ihm die Thür und war ganz verwundert, als er ihr ohne Weiteres sagte, er komme sich nochmals für den Kaffee zu bedanken, den sie ihm an jenem Morgen kredenzt. Sie verstand ihn natürlich nicht, und glaubte erst, dem alten Herrn Offizier habe entweder die heiße Sonne Spaniens oder das Eis der Beresina den Verstand verwirrt. Als aber ihre Mutter dazu kam und diese sich erinnerte, daß ihre Mutter ihr einst erzählt, wie sie als blutjunges Mädchen einmal einem hübschen Pagen ihren eigenen Kaffee gegeben, weil er im Dienste des damaligen Fürsten, der seitdem mitsammt seinem Fürstenthum längst zu seinen Vätern versammelt, so sehr gefroren, da löste sich das Räthsel und da es gerade wieder Kaffeezeit, obwol des Nachmittags war, so luden sie den alten Herrn freundlich ein mit ihnen vorlieb zu nehmen. Das that denn der Major auch und siehe da! es gefiel ihm so wohl bei den beiden Frauen und die beiden Frauen selbst gefielen ihm noch weit besser, daß er eine wahre väterliche Zuneigung zu ihnen faßte und beschloß, seine letzten Lebenstage in dem Städtchen zuzubringen und sie zu seinen Erben zu machen, wovon er ihnen aber noch nichts sagte. Als ein alter erprobter Soldat war er gewohnt stets rasch zu handeln und so machte er es auch hier. Noch an demselben Tage hatte er sich ein Logis in der Nähe gemiethet und sich die Kost bei der Frau Forster ausbedungen. Am folgenden Morgen bezog er die neue Wohnung und nun war Alles in Ordnung und ging seinen alten regelmäßigen Gang fort.

Den beiden Frauen wurde das neue Verhältniß sehr angenehm; sie hatten bisher einförmig, wie eine Raupe ihr Blatt, einen Tag nach dem andern von ihrem stillen Leben abgezehrt, denn ein Tag war gleich dem andern. Nun brachte die Sorge für ihren neuen Tischgenossen doch etwas Abänderung hinein und Frauen sind immer glücklich, wenn sie nur etwas haben, für das sie sorgen können; es ist eine so liebenswürdige Eigenschaft an ihnen. Mit Unrecht wirft man alten Mädchen ihre Leidenschaft für Thiere vor; sie entspringt aus derselben Quelle; wenn solche arme Stieftöchter des Himmels Menschen hätten, für die sie sorgen könnten, so würden sie die Thiere Thiere sein lassen. Marie und ihre Mutter gewöhnten sich nicht allein bald an den Major, sie liebten ihn auch eben so schnell und er verdiente es; denn er war wirklich ein liebenswürdiger Greis, der unermüdlich ihnen das Dasein erfreulich zu machen suchte, ohne ihnen unbequem zu werden. Er kam zur Mittagszeit, das einfache Mahl mit ihnen zu verzehren, ging dann bei schönem Wetter mit ihnen spazieren oder spielte Schach mit Marien, das er ihr lehrte und begab sich darauf, wenn sie zusammen, im häuslichen Kreise den Thee getrunken, gegen Abend wieder nach seiner Wohnung, nachdem Marie ihm noch einige seiner Lieblingslieder vorgesungen. Sie hatte eine schöne, tiefe, glockenreine Altstimme, so eine Stimme, die man, möge man wollen oder nicht, immer mit dem Herzen hören muß und Alles, was sie sang, kam ihr aus der Seele. War es daher ein Wunder, daß der Major von Horn eine Neigung zu ihr faßte, als ob sie seine Tochter sei? Obendrein sah sie ja auch ihrer Großmutter ähnlich, wie wenn diese es selbst wäre und das Bild der Großmutter hatte der alte Herr funfzig Jahre mit sich herumgetragen, ohne in das Original verliebt zu sein; da ist es doch wol ganz natürlich, daß er es ein Bischen in die lebendige Kopie wurde.

Für Maria trug übrigens sein Umgang den größten Nutzen. Sie war, obwol lieb und gut, in einer kleinen einsamen deutschen Stadt aufgewachsen; solchen Chrysaliden wird es doppelt schwer durch ihre Hülle zu brechen und sich frei und ganz zu entwickeln. Der Major aber erweiterte der Jungfrau engen Gesichtskreis ohne die Heiligthümer ihrer Seele anzutasten und zu verrücken.

So lebten sie mehre Jahre sehr ruhig und glücklich mit einander. Da kam Franz von einer langen Reise zurück, sah Maria seine Jugendgespielin wieder, verliebte sich von Neuem in sie und hielt um ihre Hand an. Dem alten Horn gefiel er eigentlich nicht, denn der junge Mann schien ihm noch zu unreif und unsicher, und es war ihm bedenklich. Aber Frau Forster und Maria hatten Nichts als das Häuschen und eine kleine Pension, von der sie lebten und die mit der Mutter Tode aufhörte; des Majors Vermögen war auch nicht bedeutend. Ob sich in dem Städtchen ein zweiter Bewerber finden würde, der für die Jungfrau passe, war auch noch sehr zu bezweifeln. Am Meisten wog jedoch bei dem alten Herrn die Ueberzeugung, daß es des Weibes Bestimmung sei, Gattin und Mutter zu werden und daß ein Unberufener da nicht müsse das Schicksal spielen wollen. Er verhielt sich also ganz passiv bei der Verlobung, aber beobachtete Franz und je länger er ihn beobachtete, destoweniger behagte ihm derselbe, obwol er wiederum keineswegs an ihm verzweifelte.

Nun weiß der Leser, wer der alte Major ist.

(Fortsetzung folgt.)




Literarische Anzeigen.

Neue
Schönwissenschaftliche Werke
im Verlage von
J. J. WEBER in LEIPZIG.

Bernhard, Carl.
Christian VII. und sein Hof.
3 Bände. 3 Thlr.

Dieser erstere umfangreichere Roman Carl Bernhard’s wurde mit noch höher gesteigertem Beifall aufgenommen, als seine früheren Arbeiten schon gewonnen hatten. Kaum drei Wochen nach dem Erscheinen war eine neue Auflage nöthig. Das Werk umfaßt die interessanteste, theilweise bisher noch verhüllt gewesene Periode der dänischen Geschichte. Mit meisterhaften Zügen schildert er die Lüsternheit und Pracht des hierin unübertroffenen Hofes Christian VII., das Unglück der liebenswürdigen Caroline Mathilde, die Intriguen der ränkesüchtigen Königin Wittwe, den Sturz und das tragische Ende des Ministers Struensee, wie seines Freundes, des Grafen Brandt.

Von demselben Verfasser ist ferner erschienen.
Die Hospital-Verlobung. . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Thlr.
Eine Familie auf dem Lande . . . . . . . . . . . . . . 1
Der Eilwagen. – Ein Sprichwort. . . . . . . . . . . . . 1
Die Declaration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/4
Der Kommissionär. – Tante Franziska. . . . . . . . . . 11/4
Der Kinderball. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Schooßsünden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/4

Gutzkow, Karl.
Dramatische Werke.
I. und II. Band.
Enthalten: I. Band: Richard Savage. – Werner.. . . . . . . . . 12/3 Thlr.
II. Patkul. – Die Schule der Reichen. . . . .  12/3

Gutzkow, Karl.
Vermischte Schriften.
II – III. Band.
Preis 3 Thlr.

II. Band. Vermittelungen. Kritiken und Charakteristiken. – Inhalt: I. Pressfragen. Ueber Preisherabsetzungen im Buchhandel. – In Sachen des Nachdrucks. – Hitzig über die Existenz der Schriftsteller. – II. Ausland. Abhängigkeit vom Auslande. Friederike Bremer. – H. Koenig’s literarische Bilder aus Rußland. – V. Hugo’s Ruy Blas. – III. Literaturhistorie. Goethe’s Briefwechsel mit der Schwester der Stolberge. – Leisewitz. – Franz Hern. – Bettina. – IV. Romane. Verirrungen auf diesem Gebiet. – Strickstrumpf-Kritiken. – H. Koenig, William’s Dichten und Trachten. – Psyche, von A. von Sternberg. – V. Gedichte. Franz Dingelstedt’s Gedichte. – An Usso Horn über N. Lenau’s Savonarola. – J. Mosen’s Ahasver I. II. – Nachträge. – Der Musenalmanach auf 1839. – Deutscher Musenalmanach auf 1841. – VI. Drama und Musik. Ueber Tantièmen. – Immermann’s Ghismonda. – Klein’s Maria von Medicis. – Oper und Drama. – Der Fabrikant, von E. Devrient. – Noch ist es Zeit, von A. P. – Marschner’s Vampyr. – Etwas für Pesth. – Liszt in Hamburg. – VII. Vermischtes. Die Gebrüder Grimm. – K. Rosenkranz – Fr. Dav. Strauß. – Kölle über Diplomatie. – Theresen’s Briefe aus dem Süden. – Autorberuf der Frauen.

III. Band. Mosaik. Novellen und Skizzen. – Inhalt: Aus Fluch wird nimmer Segen. Erzählung. – Das Stelldichein. Novelle. – Die Schauspielerin vom Hamburger Berge. Lebensbild. – Lenz, eine Reliquie von Georg Büchner. – Leonce und Lena, ein Lustspiel von Georg Büchner. – Ein Besuch bei Bettina. – Erinnerung an Rosa Maria Assling, geborne Varnhagen von Ense. – Karl Immermann in Hamburg. – Professor Meyer, die Königin Victoria und ihre Papagaien. – Die Subscribenten auf Klopstock’s Gelehrtenrepublik. – Meidinger’s französische Grammatik. – Soll sich die Theaterkritik bestechen lassen? Eine Zeitfrage. – Reiseerinnerungen. Stuttgart. Carlsruhe. – Kleine Reisebilder. Naumburg, Weißenfels, Merseburg, Halle, Magdeburg. – Ein diplomatischer Roman. – Die Statuten der „Freien“. – Reiseeindrücke. Stift Neuburg bei Heidelberg, Burg Rheinstein, Schloß Johannisberg – Bernadotte.


Hage, J. van den.
Der Schaafhirt.
Historischer Roman aus den Zeiten der Utrechter Stiftsfehde.
6 Bände. Preis 8 Thlr.

Dieser durch seinen Inhalt wie durch die Darstellung höchst bedeutende Roman reiht sich dem Besten dieser Gattung, was seit Walter Scott’s herrlichen Leistungen erschienen ist, auf das Würdigste an. Er schildert die merkwürdigen Kämpfe des Bischofs von Utrecht, David von Burgund, mit den gegen ihn empörten Städten, und weiß zugleich durch die genaue, anmuthige und lebendige Darstellung des holländischen Lebens jener Zeit, welche ihm eine eigenthümliche aber höchst anziehende Färbung verleibt, auch in den geringsten, mit großem Talent durch das Ganze verwebten Einzelheiten, den Leser in steter Spannung bis zum Schlusse zu erhalten. – Wir dürfen daher wol behaupten, daß wir in ihm ein Meisterwerk im vollsten Sinne des Wortes dem deutschen Publikum darbieten.

Von demselben Verfasser erschien:
Schloß Lövestein.
Historischer Roman aus dem 30jährigen Kriege.
3 Bände. 4 Thlr.

Hook, Theodor.
Ausgewählte Romane.
1 – 16r Band. Preis 51/3 Thlr.
Enthalten:
Jack Brag, 4 Theile. . . . . . . . . . . . . . . . 11/3 Thlr.
Gilbert Gurney, 4 Theile. . . . . . . . . . . . . 11/3
Braut und Gattin, 4 Theile. . . . . . . . . . . . 11/3
Des Pfarrers Tochter, 4 Theile. . . . . . . . . .  11/3

Theodor Hook’s Romane werden hier zum ersten Male und zwar nach dem Tode des Verfassers in deutscher Uebersetzung dem Publikum vorgelegt, während sie in seinem Vaterlande schon längst große Anerkennung genießen. Seine elegante aber spitzige Feder malt und geißelt das Leben der fashionablen Welt und ihre Thorheiten auf die treffendste Weise. Nicht so viel raisonnirend wie Bulwer, nicht so emsig in die obscuren Winkel niederen Lebens herabsteigend, wie Dickens, vereinigt er den hohen socialen Standpunkt des Ersteren mit der lebendigen Frische des Letzteren. Jeder Roman ist in 4 elegant und zugleich ökonomisch gedruckten Bänden vollendet. Dem ersten Theile ist Hook’s Portrait in Stahlstich und eine Skizze seines vielbewegten Lebens beigegeben.


Empfohlene Zitierweise:
: Illustrirte Zeitung, Nr. 2 vom 8. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_02.pdf/15&oldid=- (Version vom 21.5.2018)