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Illustrirte Zeitung, Nr. 2 vom 8. Juli 1843

Brande von Hamburg erschütterte ein Erdbeben die Antillen. Pointe à Pitre, die bevölkertste und reichste Stadt auf Guadeloupe, wurde in einem Augenblick von Grund aus umgestürzt.

Zerstörung von Pointe à Pitre. Gezeichnet nach Lemonnier de la Croix, ehemaligem Baudirector in Pointe à Pitre.

Das Erdbeben dauerte 70 Secunden. Solch’ ein flüchtiger Augenblick, der in einem glücklichen und thätigen Leben fast für nichts genügt, war dort hinreichend, eine ganze Stadt zu zerstören, die Trümmer in Brand zu stecken und mehre Tausend Menschen zu tödten. Was das Erdbeben verschont hatte, verschlang sogleich eine andere Geißel. Vier Tage lang zehrte die Flamme davon und verbrannte Alles, was unter den Trümmern lag: Lebendige, wie Leichen! Nur Eins verschonte die allgemeine Vernichtung: eine Uhr, die bei der ersten Erschütterung stehen blieb und genau den Augenblick anzeigte, in welchem das Unglück die Stadt überraschte.

Guadeloupe galt übrigens stets als ein gefährlicher Boden. Es besteht aus zwei, durch den Salzfluß, eigentlich einen Arm des Meeres, getrennten Inseln: Grande Terre im Osten, Basse Terre oder das eigentliche Guadeloupe im Westen. Basse Terre ist durchaus vulcanisch. Der gegen 5000 Fuß hohe Schwefelberg (La Soufrière) dampft fortwährend. An verschiedenen Stellen des Bodens dringen erstickende Dünste hervor. Auf einer bedeutenden Strecke des Meeres in der Nähe des Ufers ist das Wasser beständig siedend heiß. Dennoch hat diesmal Basse Terre mit seiner Hauptstadt gleiches namens weniger gelitten. Der Hauptstoß traf Grande Terre und besonders dessen Hauptstadt Pointe à Pitre.

Pointe à Pitre ward 1763 erbaut und hieß damals Morne Renfermé – der eingeschlossene Hügel. Siebzehn Jahre später, im Jahr 1780, legte eine Feuersbrunst fast die ganze Stadt in Asche. Damals ging sie aus ihren Trümmern bevölkerter, regelmäßiger, schöner und reicher wieder hervor. Mit Hülfe Frankreichs und bei der Thätigkeit und der Entschlossenheit ihrer Bewohner ist zu hoffen, daß sie auch dieses Mal wieder neu erstehen, daß sich eine dritte Stadt als treue Hüterin ihrer Mutter und Großmutter auf deren Grabe erheben werde.

Vor der Zerstörung zählte Pointe à Pitre 16–20,000 Einwohner, ganz Guadeloupe, auf einem Flächenraume von 30 Quadratmeilen, etwa 110,000 Einwohner, worunter 87,000 Negersklaven, 13,000 Weiße, 9000 freie Farbige waren. Es bildet mit den kleinen dazu gehörigen Inseln Desirade, Marie Galante und Les Saintes, nebst Martinique die französischen Besitzungen in Westindien, und bringt besonders Zucker, Kaffee, Indigo, Cacao und Baumwolle hervor. Columbus entdeckte es 1493; französische Flibustier nahmen es 1635 in Besitz; 1691 und 1705 griffen die Engländer es vergeblich an, 1759 gerieth es in deren Gewalt, kam aber 1763 beim Abschlusse des Friedens wieder an Frankreich; 1793 eroberten die Engländer es von neuem, wurden 1794 vertrieben, besetzten es 1810 abermals, und traten dasselbe 1813 an Schweden ab, von dem Frankreich es im Pariser Frieden zurückerhielt.

Karte von Guadeloupe.

Am gedachten Tage um 10 Uhr 25 Minuten Morgens, bei einem Thermometerstande von nur 22°, vernahm man ein unterirdisches Tosen, worauf ein Erdstoß folgte, der, wie schon erwähnt wurde, 70 Secunden dauerte und alle steinernen Häuser umstürzte. Dann brach sogleich an 2–300 Stellen Feuer aus, welches auch die hölzernen Häuser verzehrte. Die Anzahl der von den Mauern Erschlagenen oder im Feuer Umgekommenen wird auf 6000 geschätzt. Der Verlust an Waaren etc. soll 30 Mill. Fr. betragen. Den Werth der zerstörten Gebäude gibt

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: Illustrirte Zeitung, Nr. 2 vom 8. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_02.pdf/4&oldid=- (Version vom 21.5.2018)