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Illustrirte Zeitung, Nr. 3 vom 15. Juli 1843


können, als Modehändlerinnen, Putzmacherinnen, Nähterinnen sein Haus füllen; eine von der lieben Gattin neugekaufte wundervolle Equipage von neugekauften wundervollen Pferden ins Hausthor gefahren wird – was jedoch unterhalb des Podiums geschieht, weshalb wir auch nichts davon zu sehen bekommen, sondern nur Don Pasquale’s lieblich melodiöse Desperation darob vernehmen – – Ach! und was ist das Alles gegen das, was noch nachkommt? Sobald sich ein junges capriciöses Weibchen ihren alten Herrn Gemahl zum Opfer erkoren hat, und einmal im Zuge ist, ihn zur Verzweiflung zu bringen, was für herrliche Mittelchen stehen ihr da nicht zu Gebote! Kurz und gut: der alte gute Onkel ist überglücklich, als er im dritten Acte erfährt, daß seine Heirath nicht mehr und nicht weniger als eine gewöhnliche Comödienheirath war, und daß es ihm unbenommen bleibt, die junge Scheingemahlin dem ungerathenen Neffen auf den Hals zu laden, was er denn auch zur allseitigen Zufriedenheit der Mitspielenden wie der Zuhörer eiligst und schleunigst ins Werk richtet – – Aber halt! noch ist die Geschichte nicht zu Ende; noch darf die Gardine nicht fallen: erst trippelt Norinchen ganz graziös an die Lampen vor, und flötet dem entzückten Publicum die große, erhabene Moral zu:

„Daß alte Leute nicht mehr heirathen sollten!“

Welch eine Ueberraschung! Wer hätte das erwartet? –

Und die Musik erst! Ach – Donizetti’s himmlische Musik erst! Sie ist noch viel neuer, wunderbarer, als das Libretto; denn sie ist nicht, wie dieses, das Gespenst eines vor langen Jahren Entschlafenen – nein! sie ist Fleisch und Bein wirklich und leibhaftig noch herumwandelnder, athmender, singender Personen, als da sind: Lukretia Borgia, Lucia di Lamermoor, die Tochter des Regiments, Linda di Chamouni u.s.w. – u.s.w. – Vielleicht sprechen wir nächste Saison mehr darüber; vielleicht auch nicht. Wer kann das wissen? – –

F. H.

Das Ehrengeschenk an Sir Moses Montefiore.

Als das plötzliche Verschwinden eines Franciskanermönchs, des Pater Thomas, in der fanatischen Stadt Damaskus einige Juden des Mordes verdächtig gemacht hatte und die türkische Justiz mit der dort gewöhnlichen Barbarei gegen die Angeschuldigten einschritt, nahm unter vielen Andern auch der reiche Engländer Sir Moses Montefiore sich seiner Glaubengenossen an und reiste im Jahr 1840 mit dem Advocaten Cremieux aus Paris, ebenfalls einem Israeliten, nach Constantinopel, Damaskus und Alexandrien, um an Ort und Stelle, bei Mehemed Ali, als dem bisherigen Beherrscher von Syrien und beim Sultan, dem diese Provinz kurz darauf wieder unterworfen wurde, ihre Vertheidigung zu führen. Sein großer Reichthum, sein geachteter Name und die menschenfreundliche Absicht, welche seine Schritte leitete, sicherten ihm ein vollständiges Gelingen. Der jugendliche Sultan Abdul Medschid gewährte ihm eine Audienz und bewilligte ihm einen Ferman[WS 1], der alle von Mehemed Ali’s Beamten angeordneten Maßregeln aufhob, die Angeklagten für schuldlos erklärte und den Juden dieselben Rechte zusicherte, deren andere Religionsparteien unter türkischer Herrschaft genießen. Mehemed Ali ließ die angeschuldigten Juden in ihre ihm fernerhin nicht mehr unterworfene Vaterstadt zurückkehren und in dem soeben erst durch englische Waffen eroberten Syrien beugte sich selbst der Fanatismus vor dem Vertreter der europäischen Civilisation. Als Sir Moses Montefiore von seiner in der uneigennützigsten Absicht unternommenen Reise zurückkehrte, beschlossen seine Freunde und Verehrer, ihm ihre Anerkennung seiner edeln Gesinnungen auszudrücken und ihm zu diesem Zweck ein Ehrengeschenk zu widmen, welches, durch freiwillige Beiträge zu Stande gebracht, der Veranlassung entspräche und seiner Verdienste würdig wäre.

So entstand das prachtvolle Kunstwerk, von dem wir unsern Lesern in der hier folgenden Illustration eine

Das Ehrengeschenk für Sir Moses Montefiore.

Abbildung geben. Es ist eine Art Denkmal, blos zur Zierde und ohne Gebrauchszweck, von 31/2 Fuß Höhe und 1319 Unzen Silber an Gewicht. Sir G. Hayter entwarf die Zeichnung dazu; E. Bailie führte die Sculpturarbeiten aus und die Hrn. Mortimer und Hunt besorgten den Guß. Das Ganze ruht auf einem breiten, viereckigen Fußgestell; der Haupttheil ist ebenfalls vierseitig und oben auf demselben befindet sich eine Darstellung der biblischen Erzählung im 17. Capitel des ersten Buchs Samuels, wie David dem Rachen eines Löwen ein Lamm entreißt, als Sinnbild der Ueberwältigung von Gewaltbedrückung und der Befreiung der Unschuld durch Sir Moses Montefiore. Der Haupttheil, von dem die Illustration zwei Seiten und drei Ecken zeigt, hat auf jeder Seite ein Basrelief und an jeder Ecke eine Figur. Das erste Basrelief auf der in der Illustration sichtbaren rechten Seite stellt Sir Moses Montefiore’s Landung in Egypten dar. Im Boote befinden sich seine Gemahlin, Dr. Loewe, Dr. Madden und Hr. Wire. Das nächstfolgende zweite Basrelief auf der Rückseite enthält

Zweites und drittes Basrelief

eine Darstellung der Audienz beim Sultan in Constantinopel und der Bewilligung des Fermans. Das dem folgende dritte Basrelief, ebenfalls auf der Rückseite, zeigt die Befreiung der Gefangenen in Damaskus, die sich dankend Sir Moses Montefiore zu Füßen werfen, während er in seiner Uniform als Vicelieutenant einer englischen Grafschaft dasteht und gen Himmel weist, dem ihr Dank gebühre. Das vierte Basrelief auf der in der Illustration sichtbaren linken Seite bedeutet die öffentliche Danksagung nach seiner Rückkehr an der Bundeslade der Synagoge in Bevis Marks zu London. Die vier Figuren an den Ecken sind in rauhem Silber vortrefflich gearbeitet. Die vorderste Figur in der Mitte der Illustration ist Moses mit den Gesetztafeln. Rechts von ihm befindet sich Esra, in einer Pergamentrolle lesend, auf welcher der 21. Vers des 8. Capitels aus seinem Buch in der Bibel geschrieben steht. Wie diese Figuren die beiden Hauptbefreier des jüdischen Volks, so stellen die beiden andern Figuren zweimal die Juden in Damaskus dar. Der eine, auf der nicht sichtbaren Seite

Figur auf der Rückseite.

des Aufsatzes, erscheint an Ketten gefesselt, mit bloßem Kopf und bloßen Füßen, tiefes Elend in den Mienen; ein zweiter, links von Moses, auf den Knieen Gott für die Befreiung dankend, die Fesseln gebrochen zur Seite. Unter den Figuren stehen Verse in hebräischer Sprache, die Bezug darauf haben. Das Laubwerk des Feigenbaums und des Weinstocks, welches jede dieser Figuren überschattet, giebt dem Ganzen einen sehr reichen und ungemein zarten Ausdruck. An den vier Seiten der Grundlage befinden sich ebenfalls vier Darstellungen. Die erste besteht aus einer passenden Inschrift unter Sir Moses Montefiore’s

Empfohlene Zitierweise:
: Illustrirte Zeitung, Nr. 3 vom 15. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_03.pdf/13&oldid=- (Version vom 7.1.2019)

Anmerkungen (Wikisource)

  1. ein Erlass, siehe w:Ferman