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Illustrirte Zeitung, Nr. 4 vom 22. Juli 1843

ja um mich geweint. – Ach, wir Männer sind so täppisch, wir ahnen oft nicht einmal, wie tief wir durch eine ungeschickte Bemerkung, einen unzeitigen Scherz ein armes weibliches Herz verletzen können und ihm eine Wunde schlagen, die das ganze Leben hindurch bei der leisesten Berührung wieder blutet und schmerzt.

Maria hat um mich geweint! – Ich kann das nicht vergessen. Alle Herrlichkeiten der Welt können mich nicht darüber trösten, ihr Thränen in die Augen getrieben zu haben.

Nein, nein, ich will nie wieder daran denken, zu reisen!

Morgen früh soll es mein Erstes sein, zu dem Major zu gehen und ihn zu bitten, meine Thorheit zu vergessen und mir zu helfen, Maria’s Verzeihung zu erlangen.

Ich werde mich der Geliebten zu Füßen werfen und ihr feierlich geloben, sie nie zu verlassen. Sie wird mir glauben und meine ernste Reue ihr Herz rühren.

Ich sehe sie schon mir im Geiste ihre kleine weiße Hand reichen und ihre sanften blauen Augen mit dem Ausdrucke der zärtlichsten Liebe auf mich richten.

Ach, wie lieb strahlten diese süßen Sterne an dem Tage, wo sie mir mein Lieblingslied sang, das alte Volkslied: „So viel Stern’ am Himmel stehen“, das sie mit einem Ausdrucke vortrug, als ob sie es selbst gedichtet habe, und es in jenem Augenblicke erst ihrem innigsten Gefühle entquelle:

Da schrieb ich folgendes Gedicht an sie, als ich Abends zu Hause kam und mir ihre Töne noch immer in tiefster Seele nachklangen.

Maria.

Wenn der Frühling milde Lüfte
Kosend einer Knospe spendet,
Oeffnet sie den Kelch und sendet
Still nach oben süße Düfte,
Und es ist, als ob die Seele,
Die der Pflanze zugetheilt,
Dankerfüllt gen Himmel eilt.

So Maria, wenn sie singend
Vor dem offnen Fenster steht,
Und die Töne, sanft verklingend,
Mit des Abends Hauch verweht, –
Von den Lippen aufwärts schweben
Und zum Vater Aller streben. –
Ihr Gesang ist ein Gebet.

Sie wird das nicht vergessen haben.

Dann wird sie sich auch schmücken und das hellblaue Kleid anziehen, das ich so liebe und das ihr so gut steht. Wir werden zusammen in die Kirche gehen,

denn morgen ist ein Sonntag und die Predigt andächtig anhören; aber wenn die Gemeinde still das Vaterunser betet, dann werden wir unser eigenes inniges Dankgebet zu Gott emporsenden, für das große Glück, das er uns jetzt schon gewährt und das uns noch erwartet. Ich werde dem Allmächtigen ganz besonders auf meinen Knieen danken, daß er mich noch einmal vor mir selbst gerettet hat. – Dann werden wir, wenn wir nach Hause gehen, den längsten Weg einschlagen und die Wiesen durchstreifen, die eine weiße Schneedecke hüllt und welche in den Sonnenstrahlen flimmert, als sei es ein Gewebe von Diamanten und Rubinen. Ich höre schon Maria’s herzliches Lachen, wenn ihre zarten Füßchen im Schnee versinken und ich ausgleite, da ich ihr zu Hülfe kommen will.

So kehren wir heiter nach Hause zurück, indem sie sich voll Vertrauen auf meinen Arm stützt.

Die gute Mutter wird uns wohlwollend empfangen, und die erstarrten Hände ihrer geliebten Tochter in den ihrigen erwärmen.

Wir nehmen dann unser einfaches Mahl ein; alle Erinnerung an den gestrigen unangenehmen Abend ist verbannt. Nach dem Essen plaudern wir und setzen uns behaglich an den Theetisch. Der alte Major, der meine Unart auch vergessen hat, wird Maria bitten, ihm die Pfeife zu stopfen, weil sie ihm dann am besten schmeckt, und mein Liebchen es mit großer Zierlichkeit und Grazie zu thun versteht.

Dann wird er uns eine von seinen langen Kriegsgeschichten zum hundertsten Male erzählen, und wir ihm aufmerksam zuhören, oder wenigstens so thun.

Wie groß wird mein Glück sein, wenn ich sie glücklich sehe und zwar glücklich durch mich! Ach! wie ist die Nacht so lang! Will sie denn gar kein Ende nehmen?!

(Fortsetzung folgt.)
Empfohlene Zitierweise:
: Illustrirte Zeitung, Nr. 4 vom 22. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_04.pdf/12&oldid=- (Version vom 6.1.2019)