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Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843



Nr. 5.] Leipzig, Sonnabend den 29. Juli. [1843.

Jeden Sonnabend 1 Nummer von 48 Foliospalten. – Vierteljährlicher Pränumerationspreis 12/3 Thlr. oder wöchentlich 4 Ngr. – Einzelne Nummern 5 Ngr.

Inhalt.

Fürst Metternich. – Meuterei auf einem Kriegsschiff der Vereinigten Staaten. – Das Mustergefängniß von Pentonville. – Unser Wochenbericht. – Der Seefallschirm.

Ein Reisemärchen. (Fortsetzung.) – Das Schützenjubelfest und die erste Provinzialliedertafel in Leipzig. – Die Burggrafen, von Victor Hugo. – Literarische Anzeigen. – Modenbericht.



Fürst Metternich.

Der Mittel und Wege zur Größe sind so verschiedene, als das verschieden ist, was man gemeiniglich unter Größe versteht. Viele müssen das hohe Ziel unter Anstrengungen und Beschwerden erringen, während es Andere leicht und spielend erreichen; die Einen betrachten jedes Mittel als gut, die Andern wählen nur das gute Mittel zum Zwecke. Glück und Verdienst geleiten abwechselnd auf den Gipfel menschlicher Würden und Wirksamkeit, je nachdem es der Strebende versteht, sein Verdienst mit dem Glück, sein Glück durch sein Verdienst auszusöhnen und seiner Größe dadurch die Weihe der allgemeinen Anerkennung zu verschaffen. Das Erbe eines berühmten Namens, mit der Erinnerung an Leben und Thaten ausgezeichneter Vorfahren, treffliche Aeltern, welche durch Lehre und Beispiel von Jugend auf alle Fähigkeiten und Kräfte auf ein glänzendes und erhabenes Ziel richten; sorgfältige Erziehung, das richtige Maß des Unterrichts bei reichen Naturanlagen sind Gaben des Glücks und mächtige Hebel zur Größe. Sie alle, in reichster Fülle, brachte Metternich mit in den Staatsdienst, wo die Weisheit und das Verdienst seines hochgestellten Vaters die künftige Carrière des Sohns umsichtig und sicher angebahnt hatte. Als nun das Vertrauen eines mächtigen Monarchen ihn selbstthätig in die Weltbegebenheiten einer wechsel- und verhängnißvollen Zeit einzugreifen berief, konnte der junge 28jährige Diplomat sogleich fest und imposant auftreten auf einem so gewaltigen Postamente, wie seine Geburtsgaben, seine, bei solchen Geburtsgaben seltene, geistige Errungenschaft, und außerdem die Macht des vollendeten Systems der altgeprüften Habsburgischen Politik es ihm beim Antritt seines schwierigen Amtes unterlegten.

Im Leben hervorragender öffentlicher Charaktere läßt sich häufig eine vorwaltende und leitende Bestimmung, wie eine solche im Privatleben, nur weniger auffallend, sichtbar wird, nicht verkennen. Scheinbare Zufälligkeiten erhalten, in Zusammenhang mit dem Verlauf des ganzen Lebens gebracht, einen tiefen Sinn der Vorausbestimmung, Vorsehung, oder wie wir es nennen wollen. So auch bei Metternich. Die Legende, welche uns von der Entstehung seines Namens berichtet, hat schon einen für die wesentlich staatsmännische Tendenz der späteren Generationen dieser Familie bedeutungsvollen Inhalt. – Metter, Hauptmann der Leibwache Kaiser Heinrich des Heiligen, soll ihr Stammvater sein. Aus einem vornehmen Jülichschen Geschlechte, ausgezeichnet an Tapferkeit und Edelmuth, war er des Herrschers Liebling, heiß beneidet von den Würdenträgern und Höflingen, die sich zu seinem Sturze verschworen. Ein künstliches Gewebe von Lüge und Verleumdung klagte ihn beim Kaiser des Hochverrathes an. Der aber wies alle Verdächtigungen mit dem einfachen Gegengrund zurück: „Metter nicht!“ Als ehrwürdiges Wahrzeichen dieses Kaiservertrauens und der Abkunst von dem Edlen, der es genossen, legten sich seine Nachkommen den Namen Metternicht bei, von welchem im Laufe der Zeiten das t wegfiel, bei welchem aber das Vertrauen der Kaiser blieb bis auf diese Stunde. Die Freiherren von Metternich, welche später in zwölf Linien oder Häusern am Rhein hausten, standen den höchsten Würden und Aemtern des Reiches vor: Zwei erhielten sogar den Churhut von Mainz, Einer den von Trier. Lothar von Metternich, Churfürst von Trier, erwarb, nach Aussterben der älteren Linien, der jüngeren, von welcher der jetzt lebende Fürst stammt, die Reichsgrafschaft Winneburg und Beilstein am Rhein, und mit ihr seiner Familie die reichsgräfliche Würde. Er war Einer der ausgezeichnetsten Männer seiner Zeit, unter andern auch Stifter der für den Gang und Ausgang des 30jährigen Krieges so bedeutungsvollen katholischen „Ligue.“ – Franz Georg Reichsgraf, dann Reichsfürst von Metternich erwarb diese Würde 1803. Für die ausgezeichneten Dienste, welche er als Gesandter an mehren Höfen, als Wahlbotschafter Churböhmens, bei der Wahl und Krönung Kaiser Leopold II., als dirigirender Minister in den Niederlanden und auf dem Reichsfriedencongresse zu Rastadt als Principalcommissarius geleistet, und nachdem er 1801 seine Besitzungen am Rhein an Frankreich hatte abtreten müssen, wurde er durch die Reichsabtei Ochsenhausen, welche in ein reichsunmittelbares „Fürstenthum Winneburg“ verwandelt ward, entschädigt. Fürst Franz Georg war seit 1774 in kaiserlichen Diensten und seit 1771 vermählt mit Gräfin Beatrix Aloisia von Kagenegg, aus einem Breisgauischen uralten Dynastengeschlechte, welche ihm am 15. Mai 1773 zu Coblenz den ersten – und später einzig lebenden – Sohn geboren hatte, welcher zu Ehren seines ersten Taufpathen, des Prinzen Clemens Wenzeslaus von Polen u. Litthauen, Herzogs zu Sachsen, und seines großen Vorfahren, des Churfürsten von Trier, in der Taufe die Namen Clemens, Wenzeslaus, Nepomuk, Lothar erhielt. Dieser, der jetztlebende Fürst und Staatskanzler, zeigte als Knabe schon frühzeitige Entwickelung ungewöhnlicher Naturanlagen, welche die Aeltern den vorzüglichsten Meistern zur Pflege übergaben und selbst durch die sorgfältigste Erziehung zu bilden und zu veredeln strebten. In seinem 15. Jahre bezog Graf Clemens schon die Universität Straßburg – 1788 –, sich der Philosophie zu widmen. Im Jahre 1790 begleitete er seinen Vater zur Kaiserwahl und fungirte als Ceremonienmeister des westphälischen Grafencollegiums. Die nächsten 4 Jahre brachte er abwechselnd auf Bildungsreisen und auf der hohen Schule zu Mainz zu, folgte 1794 seinem aus den Niederlanden durch die Zeitereignisse verdrängten Vater nach Wien und vermählte sich hier mit der einzigen Tochter des Fürsten Ernst von Kaunitz-Rittberg, Marie Eleonora, welche, bedeutungsvoll für die Zukunft Metternich’s, die Enkelin des berühmten östreichischen Haus-, Hof- und Staatskanzlers Fürsten Kaunitz, ihm als Mitgift auch die bald darauf in Oestreichs Geschichte durch jene weltbekannte Schlacht verhängnißvoll gewordene Herrschaft Austerlitz zubrachte. Seine Ernennung zum Gesandten im Haag hatte, wegen der Eroberung Hollands durch die Franzosen keine Folge. Wäre Fürst Franz Georg in den Niederlanden geblieben, oder hätte Graf Metternich diesen Gesandtschaftsposten angetreten, so würde wahrscheinlich seine Laufbahn, zwar immer die höchsten Sphären des öffentlichen Lebens streifend, eine andere und dann wahrscheinlich auch der Lauf der politischen Ereignisse ein von dem später eingeleiteten, verschiedener geworden sein. So begann aber der eigentliche Anfang von Graf Metternich’s

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: Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_05.pdf/1&oldid=- (Version vom 21.5.2018)