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Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843


ist, und seine Hand in kochend heißes Wasser zu stecken und unverletzt herauszuziehen; das kann ich aber auch, obgleich kein Geist mir beisteht. Der Geist, der aus ihm geredet hat, ist entweder ein Traumgebilde, oder ein Lügner. Er hat ihm verkündet, daß die Langen-Messer und nicht die Leute vom Pembina unsere Pferde gestohlen haben. Wer soll das glauben! Pembina ist nur eine Tagereise und die Langen-Messer sind vierzig Nächte von uns entfernt. Wir selbst gehen nie so weit, um Pferde zu stehlen. Aber unser Vater hat reiche Geschenke gern und das Volk aus Mitternacht verehrte ihm viele. Ohne Zweifel war es einer von ihren Geistern, der ihm zuflüsterte, diese große Schmach ungerächt zu lassen, und unsere Weiber und Kinder müssen verhungern, damit nur sein Bauch gefüllt und sein Rücken bedeckt werde. Das soll nicht sein. Ich will nach Pembina, und gehe ich allein und bekomme ich nicht einige Vergeltung für die drei mir gestohlenen Pferde, so will ich meinen Leib da lassen. Unser Vater ist weiser, als ich, und kann viele Dinge vorherschen eben so richtig, wie ich sagen kann, wann es regnen wird und wann trockenes Wetter eintritt. Er sagt, eine Kugel könne seinen Kopf nicht verletzen. Vielleicht laden die Langen-Messer ihre Gewehre nicht stark, aber wenn – “

Hier wurde der kühne Redner unterbrochen, und da seine Ansichten weit über die Begriffe der Mehrzahl seiner Hörer hinausgingen, so erregten seine Worte allgemeines Mißfallen. Langsam und schwerfällig hatte der Pezhutah Wechaschtah sich aufgerichtet, als er den schwarzen Falken unterbrach. „Warte,“ rief er, „die Wolke, die meinen Geist umnachtete, ist fortgezogen, aber der Blitz, der ihn erhellte, flammt noch. Der lügnerische Geist, der mir sagte, wohin die Pferde gebracht wurden, hat mir auch gesagt, was Du im Begriff standest, vorzubringen. Du wolltest mich auffordern, mich Deinem Schusse preiszugeben und dadurch beweisen, daß der große Geist nicht über mich wacht. Ich weiß, warum Du meinen Tod suchest, aber obwohl Dein Herz schwach ist und Du betrogen, fordere mich nicht zu dem Versuche auf.“

„Ich fordere Dich dazu auf,“ entgegnete der schwarze Falke hartnäckig.

„Es sei denn,“ erwiederte der Magier, und sich zu dem Weibe seines Gegners mit einem Blicke des Einverständnisses wendend, befahl er ihm, seines Gatten Gewehr zu holen.

„Es war heute Morgen scharf geladen,“ sagte der Krieger, „und wenn die Kugel ihn nicht verwundet, so sind meine Hand und meine Augen nicht besser, als die einer alten Frau.“

Sein Weib reichte ihm das Gewehr, und nur zwanzig Schritte weit von dem Laufe desselben bot ihm der Zauberer seine breite Brust offen dar. Alle Ermahnungen der Anderen fruchteten Nichts; der Pezhutah Wechaschtah stand unbeweglich und der schwarze Falke prüfte sorgfältig das Schloß seiner Flinte. Langsam schlug er an und zielte; der Zauberer stand noch immer fest wie ein Fels. Nun drückte Jener ab, deutlich hörte man das Pfeifen der Kugel durch die Prairie, aber der Zauberer blieb aufrecht stehen, unberührt und ohne eine Miene zu verziehen. Ein allgemeiner Schrei des Erstaunens und der Bewunderung drang zum Himmel empor.

„Da ist irgend ein Kunstgriff im Spiel,“ sagte der schwarze Falke tief gedemüthigt. „Hat mein Auge seine Schärfe oder meine Hand ihre Sicherheit verloren? Wir werden sehn.“

Bei diesen Worten wandte er sich zu seinem Weibe, das neben ihm stand, sein Pulverhorn und seinen Beutel mit Kugeln haltend, und ließ sich eine andere Kugel geben, die er in seine Flinte lud. Dann scharrte er einen Haufen Schnee zusammen, gerade da, wo der Arznei-Mann gestanden, steckte die Schaufel hinein, schoß und traf das Ziel.

„Seht,“ sagte der Pezhutah Wechaschtah, „das todte Holz blutet über Deine Ruchlosigkeit.“

So war es wirklich. Die Kugel war abgeprallt und hatte einen dunklen rothen Flecken zurückgelassen. Alle Anwesenden verstummten vor Erstaunen. – „Giebst Du nun Deine Absicht auf, nach Pembina zu gehn?“ fragte der Magier.

„Ich habe es gesagt und ich werde gehn,“ erwiederte Jener.

„Der Fuß, der diese Straße wandelt, kehrt nicht wieder. Der Geist, der niemals lügt, hat es gesagt,“ versetzte der Zauberer.

„So wird er auch gesagt haben, daß ich bereit bin und entschlossen, mein Leben zu wagen,“ antwortete der Krieger, der nun sein Antlitz mit Ruß schwärzte, seine Waffen ordnete, andere Mokkassins anlegte und fortzog, seinen Todtengesang singend, denn er ahnte doch, daß er zum letzten Male den Pfad des Krieges wandle. Wenige Tage nachher fand man ihn in einem Walde. Seine Beine waren furchtbar geschwollen und sein ganzer Körper purporroth. Der Frost hatte sichtbar die gänzliche Zersetzung verhindert.

Der Frühling näherte sich und es war dem Pezhutah Wechaschtah noch nicht gelungen, sich mit der Tochter des Häuptlings zu vermählen, „denn,“ sagte der alte Vater, „sie ist mit Dahkinkiah verlobt und er erklärt, es würde mein Tod sein, wenn ich sie einem Anderen gäbe. Er ist das Ebenbild seines Bruders, des schwarzen Falken, und er hält sein Wort. Ich möchte Dir rathen, Dich vor ihm zu hüten; er betrachtet Dich als Ursache von seines Bruders Tode, und Du thust wohl, wenn Du ihn nicht reizest.“ So wich er der furchtbaren Verwandtschaft aus, obwohl des Pezhutah Wechaschtah Ansehen noch gestiegen war durch die Entdeckung, daß eine Gesellschaft Amerikaner die Pferde gestohlen hatte. Diese hatten Hornvieh durch die Prairies von Charenton am Missouri nach Pembina getrieben und auf ihrem Rückwege sich der Pferde als einer guten Beute bemächtigt. Wie der Arznei-Mann dahinter gekommen und auf welche Weise er durch die Mokkassins dem schwarzen Falken den Untergang bereitet, das mögen seine Geister wissen. Sein Stamm sah nur den Zauberer in ihm.

Auf seinen einsamen Streifzügen traf der Arznei-Mann einst einen dritten Bruder des schwarzen Falken, der den ganzen Winter bei den Sioux am Mississippi zugebracht hatte und nun zu den Seinigen zurückkehrte. Der Pezhutah Wechaschtah war der Erste, den er von seinem Stamme sprach. Nach einer kurzen, aber wichtigen Unterredung wandte sich der Jüngling, um seinen Weg fortzusetzen, als der Magier ihm verrätherisch einen Schuß nachsandte, der ihn auf der Stelle tödtete. Der Schiannefluß hatte seine Ufer damals überschwemmt und wälzte große Eisschollen mit sich, von denen die stärksten Bäume umgerissen und fortgetrieben wurden. Der Zauberer warf den Leichnam des Ermordeten in den wüthenden Strom, und dieser war bald zwischen dem Eise zermalmt.

Bald nachher hatte der Pezhutah Wechaschtah eine seiner regelmäßigen Visionen, in der er das gänzliche Erlöschen von des schwarzen Falken Geschlechte prophezeite und darauf hindeutete, daß dem Häuptling des Stammes mit den Seinen dasselbe Unglück drohe, wenn dem Willen des großen Geistes nicht augenblicklich Folge geleistet würde. Der alte Häuptling war dadurch sehr geängstigt und wußte sich nicht zu helfen. In der einen Schale der Wage lagen Dakinkiah’s Zorn, seiner Tochter Neigung und sein eigenes Versprechen – in der anderen abergläubische Furcht, Drohungen und Geschenke. – Endlich suchte er in seiner Noth den Magier auf.

„Ich möchte Dir meine Tochter geben,“ sagte er, „aber wahrlich, ich wage es nicht. Obwohl ich alt bin, ist mir doch das Leben lieb, und meine Tage würden gezählt sein, wenn ich das Geschlecht des schwarzen Falken absichtlich beleidigte. Du hast selbst ausgesprochen, es sei der Wille des großen Geistes, daß Du Dich mit meiner Tochter vermählest. Nun gieb mir einen solchen Beweis des göttlichen Willens, daß der ganze Stamm Wehe über den schreit, der ihm zuwiderhandelt.“

„Wenn ich das thue, wirst Du mir dann Folge leisten?“

Der Häuptling versicherte es auf das Bestimmteste.

Noch an demselben Abende versammelten sich die Aeltesten des Stammes in dem Zelte des Pezhutah Wechaschtah. Sein Nebenbuhler war auch gegenwärtig. Die Pfeife ging rund. Dann stand der Magier auf und sagte:

„Dieser alte Mann hat von mir einen offenbaren und sicheren Beweis gefordert, daß die Vermählung seiner Tochter mit mir des großen Geistes ausdrücklicher Wille sei. Wenn ich ihm einen solchen Beweis gebe, wollt Ihr dann sämmtlich einwilligen, daß sie mein Weib werde?“

Alle willigten unter dieser Bedingung ein.

„So hört. Ihr wißt, daß ich seit langen Jahren nicht in der unteren Gegend war, sowie, daß seit drei Vierteljahren Niemand von dort her zu uns kam. Wenn ich Euch sage, was sich dort an einer besondern Stelle findet, werdet Ihr mit solchem Beweise zufrieden sein?“

Alle stimmten bei und der Liebhaber fügte hinzu: „Ja, denn das ist unmöglich!“

„Wohl denn, so nennt die Stelle.“

Dies wurde abgelehnt, da Keiner von ihnen die Gegend hinlänglich kannte.

„So muß ich also den Ort selbst bezeichnen. Sechs Schritte nach Mitternacht von der Stele, wo der zweite Bach den Weg durchschneidet durch das freie Holz, wenn Ihr von der Prairie der Pfeile kommt, steht eine hohle Eiche. Sendet einen Boten hin; er wird in dem Stamme eine Decke, einige Pfeile, ein Pulverhorn und noch mehreres Andere finden.“ Er bezeichnete nun noch die einzelnen Stücke näher und Dahkinkiah selbst gestand, daß, wenn sich das Alles genau so verhalte, dies vollkommen genüge.

Ein Bote wurde dahin abgesandt und kehrte binnen vier Wochen mit den Sachen, die er sämmtlich an der bezeichneten Stelle gefunden, zurück. Jetzt stand der Hochzeit Nichts mehr im Wege. Die Gäste wurden eingeladen und die Jungfrau begab sich, nach der Sitte der Squaws, in den einsamen Wald, um zu weinen und auf immer von ihrem früheren Geliebten Abschied zu nehmen.

„Er muß einen Geist haben, der ihm dienstbar ist,“ sagte die trostlose Braut.

„Es muß ein böser Geist sein,“ entgegnete der Krieger; „denn nie hörte ich, daß er Jemandem Gutes gethan. Es würde ein großes Glück sein, wenn man ihn aus unserem Stamme vertriebe.“

„Wenn es ein böser Geist ist,“ erwiederte die Jungfrau, „so hat man ihn nur noch mehr zu fürchten.“

„Hätte sich mein Bruder vor bösen Menschen oder Geistern gefürchtet,“ versetzte Dahkinkiah, „so lebte er noch. Es giebt keine Feiglinge in meinem Geschlechte, Wenuna.“

Bei diesen Worten trennten sie sich.

Am nächsten Tage fand die Feier Statt. Das Mahl war bereitet und die Pfeife geraucht. Nichts blieb mehr übrig, als die Braut gewaltsam nach dem Zelte des Bräutigams zu bringen. Dies geschah und der Magier folgte alsbald nach.

Als er eintrat, fand er die Tochter des Häuptlings im Dunkeln, aber nicht in der Einsamkeit. Neben ihr stand ihr Geliebter mit gespanntem Bogen, auf dem ein spitzer Pfeil lag. Er erinnerte sich des Versuches, den sein Bruder gemacht und traute dem Schießgewehr nicht. So wie die Gestalt des Pezhutah Wechaschtah den Eingang verdunkelte, flog diesem der Pfeil bis an das Gefieder in die Brust.

In der Nähe stand ein Pferd an einen Baum gebunden. Dahkinkiah schwang sich hinauf, hob die Braut zu sich und war lange in Sicherheit, ehe man des Zauberers Schicksal entdeckte.

Der Verwundete überlebte seine Hochzeitsfeier nur drei Tage und beharrte bis zum letzten Augenblicke dabei, daß er von der Hand des bösen Geistes gefallen sei. Nach seiner eignen Angabe ward er auf ein lebendes Pferd gesetzt und mit diesem auf der Spitze eines Hügels, der weithin die Gegend übersieht, begraben. Noch jetzt wird diese Stelle dem Wanderer gezeigt als das Grab des Arzenei-Mannes.

(Fortsetzung folgt.)

Das Schützenjubelfest und die erste Provinzialliedertafel in Leipzig.
vom 4. bis 12. Juni 1843.

Die Leipziger Schützengesellschaft hat am 4., 5., 6. und 7. Juni ihre vierte Säcularfeier festlich begangen. Am 18. Mai, als am Geburtstage unseres geliebten Königs, hatte bereits Vormittags eine ernste Vorfeier Statt gefunden. Sie wurde mit dem von Friedrich Schneider für unsere Universität eigens componirten Te Deum eröffnet, das unter der Direction des Herrn Geißler – desselben, der, bisheriger Organist an der Universitäts- oder Paulinerkirche, Vorsteher des Pauliner Kirchengesangsvereins und mehrjähriger Director eines gemischten Gesangvereins „Orpheus“, an Pohlenz’s Stelle, den ein auffallend schneller und allgemein beklagter Tod vor Kurzem der Stadt und vorzüglich den Gesangstudirenden entrissen hatte, zum Organisten an der Thomaskirche befördert worden ist – gut und wirksam ausgeführt wurde. Auf den überaus gelungenen Vortrag des genannten Te Deum folgte auf einer zu diesem Behufe im großen Saale des Schützenhauses errichteten, und im Hintergrunde mit der Büste des allverehrten Königs geschmückten Rednerbühne eine geistliche Oration des Archidiakons der Nikolaikirche, M. Fischer’s, worauf von der ganzen Versammlung unter Begleitung der Posaunen der Choral: „Nun danket alle Gott“ – angestimmt wurde. In einer Festrede trug hierauf der Stadtrath Hr. Dr. Seeburg in glücklicher Auswahl die Hauptmomente der Geschichte unserer Stadt vor, nicht blos in soweit sie von allgemeiner Bedeutung sind, sondern vorzüglich in wie weit sie auf die Geschichte der Schützengilde, wenigstens einen entfernten Einfluß gehabt hatten. Weber’s Jubelouverture, von dem bekannten Queißer’schen Musikchore sehr gut ausgeführt, beschloß die Vorfeier. – Das viertägige Hauptfest war ausgezeichnet glänzend.

Empfohlene Zitierweise:
: Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_05.pdf/11&oldid=- (Version vom 7.6.2018)