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Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843


habe, und obwohl die Majorität der Kammer-Deputation sich für diese Ansicht ausgesprochen hatte, erklärte sich doch die Versammlung dagegen,, vielleicht weil in dem Berichte unterlassen worden war, darauf hinzuweisen, daß die fragliche Concession selbst vielmehr eine aufgedrungene als eine freiwillig nachgesuchte gewesen war.

In Hannover werden die Eisenbahnen seit diesem Frühjahr mit großer Thätigkeit gebaut. Mehre gesetzliche Anordnungen in Bezug auf die Einrichtung einer Regierungs-Eisenbahncasse und auf eine Mitwirkung der Stände durch Commissarien beim Bau sind publicirt worden. Besonders scheint man die Linie nach Harburg fördern zu wollen, um damit der Eisenbahn, die von Hamburg auf dem rechten Elbufer über Lauenburg und Mecklenburg nach Berlin gebaut werden soll, zuvorzukommen.

Kürzlich ist auch der bereits seit drei Jahren gegen den Magistrat der Hauptstadt anhängige Prozeß, wegen Beleidigung des Cabinets in einer an den Bundestag gerichtet gewesenen Eingabe, durch Urtheil des Oberappellationsgerichts von Celle entschieden worden. Das Erkenntniß erster Instanz – auf Gefängnißstrafe von einer Woche bis zu zwei Monaten, die durch Geld im Verhältniß von 50 Thlr. für jede Woche abgelöst werden kann – wurde bestätigt, und die Magistratsmitglieder haben sich bereits erklärt, die Geldstrafen zahlen zu wollen. Gleichzeitig trugen dieselben bei dem Könige darauf an, daß die in Folge jenes Prozesses gegen den Stadtdirector Rumann – denselben, welcher als Präsident im Jahre 1837, durch übereilte Aufhebung der Ständeversammlung, Stuve’s Protestation gegen die Vertagung unterbrach und die Beseitigung der Verfassung von 1833 erst möglich machte – verordnete Entlassung wieder aufgehoben werde. Inmittelst hatte derselbe mit dem Cabinet sich in besondere Verhandlungen eingelassen und eingewilligt, seine Entlassung mit vollem Gehalt zu nehmen. Dies wurde dem Magistrat auf seinen Antrag eröffnet, und als derselbe, im Einverständniß mit den Vertretern der Bürgerschaft, erklärte, die Uebernahme dieses Gehaltes auf die Stadtcasse, bei der Arbeitsfähigkeit Rumann’s, nicht verantworten zu können, bedrohte der König den Magistrat, daß gegen die in Untersuchung befangen gewesenen Mitglieder die Maßregeln zur Anwendung gebracht werden sollten, welche das Landesverfassungsgesetz von 1842 der Regierung gegen „königliche Diener“, wegen „gemeiner Verbrechen“ gestattet. Vor dieser Drohung wich der Magistrat, ohnehin durch Rumann’s Rücktritt in eine schiefe Stellung gerathen, zurück, und unterwarf sich dem Willen des Königs, welcher nun die Pension Rumann’s auf die Cabinetscasse unter höchlicher Belobung des Magistrats übernahm und Tags darauf nach England abreiste, um dort seinen Sitz im Oberhause einzunehmen und – der deutsche Souverain – der Königin von England den Eid der Treue und des Gehorsams zu leisten.

Ausland.

Die Meuchelmordsversuche von Wahnwitzigen in England haben in Italien Nachahmung gefunden. In Mailand wurde der Vicekönig des lombardisch-venetianischen Königreichs, Erzherzog Rainer (geb. 1783), als er am 26. April Abends 7 Uhr, in Begleitung eines Kammerherrn, von einem Spaziergang zurückkehrte, unfern von seinem Palast, von einem Lastträger, Namens Sinelli, angefallen, der früher bereits wegen ähnlicher Mordanfälle eine Zeitlang im Irrenhause zugebracht hatte. Der Erzherzog wurde durch ein stumpfes Eisen verletzt, erhielt jedoch eine bloße Quetschung und trat bereits am folgenden Morgen eine Vergnügungsreise zu seiner Tochter, der Kronprinzessin von Sardinien, nach Turin an. Der wahnsinnige Thäter ist, während das zahlreich versammelte Volk seinen Unwillen über diesen Mordversuch zu erkennen gab, festgenommen worden.

Portugal, wo eine Königin von 24 Jahren regiert, hat, seitdem dieselbe die Führung des Zepters selbst übernommen, unleugbar große Fortschritte gemacht. Ist auch die Lage der Finanzen noch immer nichts weniger als glänzend, so ist doch auch in diesem Zweige der Verwaltung schon Manches geschehen, um den Staatscredit zu verbessern und neue Quellen des Nationalreichthums zu eröffnen. Für die Belebung der Industrie, sowie des Acker- und des so überaus wichtigen Weinbaues wird viel gethan, und zwar mit dem augenscheinlichen Bestreben, das Land soviel als möglich von den Fesseln zu befreien, in welchen es von England seit 140 Jahren durch den berüchtigten Methuen-Vertrag geschmiedet ist. Die Verhandlungen über Abschließung eines neuen Handelsvertrags mit Großbritannien sind am 15. April förmlich abgebrochen worden, nachdem Letzteres sich geweigert, den Zugeständnissen Portugals irgend entsprechende Concessionen in seinem Zolltarif zu machen. Im Interesse der pyrenäischen Halbinsel und des übrigen Europa wäre zu wünschen, daß sich Portugal von der Vormundschaft Englands gänzlich losmachen könnte – was freilich die um den Absatz ihres Portweins besorgten Weinbauer nicht leicht zugeben werden – und daß es möglich wäre, einen Zollverein zwischen Spanien und Portugal, die in vielen Beziehungen eben so gleichartige Interessen haben, wie die deutschen Staaten, zu Stande bringen. Leider ist jedoch dazu wenig Aussicht vorhanden und vielmehr anzunehmen, daß die Macht der Gewohnheit den Sieg davon tragen und nächstens wieder, wenn auch nur auf drei Jahre, eine neue Verbindung mit England zu Stande kommen werde. Den Verkehr im Innern von Portugal hat die Regierung in neuester Zeit durch die in Uebereinstimmung mit den Kammern beschlossene Errichtung eines das ganze Land umfassenden Straßen-Netzes, sowie durch die Correction des Tajo-Flußbettes, zu heben versucht. Ferner hat sie ihre Aufmerksamkeit jetzt wieder mehr als je den noch erhaltenen Ueberresten der ehemals so reichen und ausgedehnten portugiesischen Colonieen zugewandt, und damit Hand in Hand gehen die Reform-Maßregeln zur Wiederemporbringung der gänzlich in Verfall gerathenen Marine des Staates. Nicht minder ist für die Universität von Coimbra, so wie für größere Verbreitung des Volksunterrichts schon Manches geschehen, und so ist zu hoffen, daß Portugal binnen einigen Jahren unter der Regierung der Königin sich erholt haben werde, wozu, wie wir wohl annehmen dürfen, der deutsche Sinn und die Kenntnisse des Gemahls der Königin, König Ferdinand’s – Prinzen von Sachsen-Koburg – nicht wenig beiträgt.


Der Seefallschirm.

So viele Vorschläge auch schon gemacht sind, bei Schiffsbruchsfällen Menschenleben zu retten, so wird der menschliche Erfindungsgeist doch nicht müde, neue und bessere zu erdenken, indem er neue Vorrichtungen dafür aussinnt, noch nicht dagewesene Verfahrensweisen in Anwendung bringt, oder bereits unter andern Umständen erprobte Mittel für jenen Zweck zu benutzen sucht. Letzterer Art ist der Seefallschirm, von dem wir eine sehr lebendige Darstellung in unserm Holzschnitte geben. Er ist neuerlich in England vorgeschlagen, und die Grundsätze, auf die sein Gebrauch, unter Umständen, beruht, sind ganz der Art, daß man zu seiner nützlichen Wirkung Vertrauen fassen kann. In neun Fällen unter zehn finden Schiffbrüche statt, wenn der Wind von der See gegen das Ufer bläst und das Schiff mit unwiderstehlicher Gewalt gegen den gewöhnlich mit Klippen, Dünen oder Untiefen umgebenen Strand treibt, woran es zerschellt oder zum Wrack wird, ehe es sich in sichernde Verbindung mit dem Ufer setzen kann, damit Gut und Menschen gerettet werden. Allgemein ist nun aber die tragende oder in der Luft schwebend haltende Eigenschaft des Fallschirms bekannt. Wer wüßte nicht, daß kühne Luftschiffer sich mit ihm aus großer Höhe von dem Ballon herablassen haben und sicher zur Erde gekommen sind? Unter ähnlichen Voraussetzungen sind die Eigenschaften des Fallschirms bei Strandungen zu benutzen, wenn das Ufer unter dem Winde liegt, wenn also der Wind die Richtung gegen das Land hat. Unter andern Umständen ist er nicht anwendbar, weil seine Dienste darin bestehen sollen, daß er durch die Gewalt des ihn forttreibenden Windes einen Menschen mit einem Tau ans Land bringt, vielleicht über die schäumende Brandung hinweg, die selten mit einem Boote vom Schiffe gefahrlos, und sicher zum Ziele führend, zu durchschneiden ist, wenn überhaupt noch ein Boot zur Verfügung steht; noch viel weniger aber ist es in der Regel thunlich, vom Ufer aus dem Schiffe zu Hülfe zu kommen, was die Erfahrung leider in jedem Jahre hundertfältig bestätigt. –

Der Rettungsschirm besteht nun aus einem zähen, kräftigen, hohen Stocke, über den, ähnlich wie bei einem Regenschirme, dichtes und leichtes Segeltuch gespannt ist, was mit Stricken unten an dem Stocke, oder der Stange befestigt ist. Auf einem Querholz sitzt der Mann, welcher das Tau trägt. Der Wind wird den Schirm aufblähen und ihn zum Ufer tragen. –


Briefwechsel mit Allen für Alle.

Herrn G. R. in B.  Für die freundschaftliche Theilnahme an unserm Unternehmen den besten Dank; schwieriger ist es, dem Wunsche zu genügen, einen interessanten und schwungreicheren Text zu geben, denn wir sind bemüht gewesen, mindestens der ersten Forderung zu genügen, und erhalten vielseitig die Versicherung, daß es uns gelungen sei. Die Erzählung, welche Sie abgekürzt wünschen, spricht Andere lebhaft an, und wenn wir noch nichts von besonderm Interesse für B. geben konnten, so liegt dies weder an unsern Wünschen, noch an unsern Bemühungen, sondern an den dortigen Künstlern, die uns, mit einer Ausnahme, noch nichts von Interesse geliefert haben.

Herrn I. L. in B.  Der Fackelzug der Kölner in Düsseldorf ist unserer Aufmerksamkeit nicht entgangen; allein hervorgerufen durch eine augenblickliche Aufwallung, kühl aufgenommen und ohne eingreifende Wirkungen, haben wir nicht geglaubt, denselben durch eine künstlerische Darstellung festhalten zu sollen, um so weniger, da Fackelzüge in ganz Deutschland zu bekannt sind, als daß eine Abbildung ein Interesse an sich darbieten könnte; wir werden von unserer Ansicht nur abgehen, wenn sich der Wunsch einer Mehrzahl unserer Abonnenten dafür ausspräche.

Herrn F. B. in L.  Sie wünschen kürzere Aufsätze. Nun sollen zwar unsere Aufsätze in der That so kurz als möglich sein, allein sie sollen zugleich die Tagesgeschichte und die Illustrationen für diejenigen näher erläutern, welchen der Wochenbericht und die sonstigen Zeitungsnachrichten nicht genug bieten, und welche eine gründlichere Belehrung über die einzelnen wichtigeren Gegenstände wünschen. Inzwischen werden wir darauf denken, Ihrem Wunsche nachzukommen, ohne die Bedürfnisse Anderer aus den Augen zu verlieren.

Den Vielen, welche bei der Darstellung des Caumartinschen Prozesses das Portrait der Kathinka Heinefetter vermißt haben, die Nachricht, daß wir uns schon früher die größte Mühe gegeben haben, es zu erlangen, und daß es nachgeliefert werden soll, wenn es irgend beschafft werden kann.


Empfohlene Zitierweise:
: Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_05.pdf/8&oldid=- (Version vom 21.5.2018)