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Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843



Nº. 6.] Leipzig, Sonnabend den 5. August. [1843.

Jeden Sonnabend 1 Nummer von 48 Foliospalten. – Vierteljährlicher Pränumerationspreis 12/3 Thlr. oder wöchentlich 4 Ngr. – Einzelne Nummern 5 Ngr.

Inhalt.

OConnell. – Unser Wochenbericht. – Algerien. Land und Volk. – Straßenreinigungsmaschine von Whitworth. – Das große Norddampfboot. – Ueber die Hoffnungen deutscher Industrie auf einen Handelsverkehr mit China. – Chinesische Zahlmittel. – Briefwechsel mit Allen für Alle.

Das Jubelfest der königlichen Landesschule St. Afra zu Meißen. – Die Großen Wasser im Garten von Versailles. – Ein Reisemärchen. (Fortsetzung.) – Robert Southey’s Tod. – Modebericht.



Daniel OConnell.

Unter allen Lebenden wird in diesem Augenblick Niemand in dem Grade gepriesen und geschmäht, wie OConnell. Der Eine haßt, der Andere vergöttert sein Thun; die Meisten staunen ihn an wie eine beispiellose Erscheinung. Wir wollen versuchen, die Wirksamkeit dieses merkwürdigen Mannes begreiflich zu machen.

Wer hätte nicht von den Indianern gehört, die der Bürger der Vereinigten Staaten durch Bluthunde aufspüren läßt, mit Weib und Kindern vertilgt oder aus dem Lande ihrer Väter nach fernen Einöden vertreibt. Daß es auch solche Unglückliche in Europa gab und daß die freien Engländer ebenso verfuhren, ist weniger bekannt. Und doch liegt Irland uns näher.

Vier Jahrhunderte – von 1172 bis 1612 – dauerte die Menschenjagd, welche der Sasse, ein eingedrungener Eroberer, gegen den Celten, den rechtmäßigen Ureinwohner von Irland, führte. Nicht blos straflos blieb, ein Verdienst war es, Celten todt zu schlagen. Wo man die Menschen nicht erreichen konnte, zerstörte man ihre Wohnungen, vernichtete man ihre Ernten. Mit einem Worte: der Celte wurde behandelt wie die Rothhaut in Amerika, wie der Araber in Algerien. Die Bewohner Irlands ließen sich aber nicht ausrotten; der Celte behauptete sich in den unzugänglichen Mooren und Klüften seines Vaterlandes.

Am Ende hätte die allmächtige Zeit wohl auch den Stammeshaß abgestumpft, wäre nicht ein neuer Zwietrachtsapfel hineingefallen. Die Reformation trennte Protestanten und Katholiken. Was von den Sassen kam, war schon deshalb dem Celten verdächtig; er hing fest an der Ueberlieferung, wurde 13 Jahre – von 1612 bis 1625 – mit wüthendem Glaubenseifer verfolgt und aus der ganzen Provinz Ulster vertrieben, nahm aber dennoch an Macht zu, weil auch ein Theil der Sassen katholisch blieb und das Loos der Verfolgten theilte.

Als der Revolutionskrieg ausbrach, Karl I. sein Haupt auf’s Schaffot trug, und Cromwell’s eiserne Hand die Zügel ergriff, – von 1625 bis 1660 – hielten die Celten abermals am Hergebrachten fest und blieben königlich gesinnt. Auch das Haus Braunschweig fand sie den bisherigen Fürsten treu und überzog ihr Land mit einem neuen Kriege – von 1660 bis 1692 –. Wie man sie früher als Nichtmenschen, dann als Glaubensfeinde, so behandelte man sie jetzt als Hochverräther. Hinrichtung und Confiscation nannte sich nun der Mord und der Raub; und diese Verfolgungen waren dennoch ein Glück. Mancher Edle theilte sie, und wenn auch grausam, wurde der Celte jetzt doch als Mensch behandelt und in rechtlichen Formen mittels einer sogenannten Strafgesetzgebung – von 1692 bis 1778 – gemartert. Wer den Engländern diente, Protestant war und Grundbesitz hatte, konnte sich gegen den Irländer Alles erlauben; dem Unansässigen, dem Katholiken, dem Celten waren bürgerliche und persönliche Rechte abgesprochen; Vermögens- und Freiheitsbeschränkungen mahnten denselben in jedem Augenblicke an seine Knechtschaft.

Und dennoch wuchsen die Bedrückten an Zahl und an Kraft. Als der Unabhängigkeitskrieg in den Vereinigten Staaten, als die französische Revolution die Macht ihrer Dränger anderwärts in Anspruch nahm – von 1778 bis 1800 –, sahen sich diese allmälig zur Gewährung von Milderungen genöthigt. Ja der Einfluß der celtisch-katholischen Arbeiterbevölkerung stieg in dem Grade, daß das Uebergewicht der englisch-protestantischen Grundeigenthümer gefährdet erschien und man deshalb im Jahr 1800

Daniel OConnell

Empfohlene Zitierweise:
: Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_06.pdf/1&oldid=- (Version vom 11.5.2023)