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Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843


Robert Southey.

Southey’s literarische Thätigkeit war sehr groß und dennoch zeigen seine Werke eine Gewandtheit, eine Sorgfalt und eine Vollendung, die in unsern eilfertigen und oberflächlichen Zeiten immer seltener wird. Seine Hauptdichtungen sind: das Schauspiel Wat Tyler, in dem er die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit aufs Entschiedenste geltend macht; das Epos Joan of Arc; Thalaba, the Destroyer (2 Bde. 1803); Metrical Tales; Madoc (1805); The Curse of Kehama (2 Bde. 1813); Carmen Triumphale (Oden auf den Prinzregenten, den Kaiser von Rußland und den König von Frankreich, nach dem Siege der Verbündeten im Jahre 1814); Roderick, the last of the Goths (1814); The Vision of Judgement (1821). Außerdem hat er eine große Anzahl von kleineren Gedichten herausgegeben, wozu auch das früher dem Professor Porson zugeschriebene und vielbelobte: Devil’s Walk zu zählen ist, was er eines Morgens beim Frühstück mit Coleridge gemeinschaftlich schuf. Viele von diesen Gedichten leben im Munde des Volks. Ihre bloße Aufzählung beweist schon die umfassenden Kenntnisse und den Fleiß ihres Urhebers, denn sie reichen von dem fernliegendsten Aberglauben in der Götterlehre der Hindus und der ältesten Geschichte von England, von Frankreich und von der pyrenäischen Halbinsel bis auf die politischen Veränderungen und Umgestaltungen der neuesten Zeit, an denen auch Southey Theil nehmen sollte. Zwischen dem Erscheinen von Wat Tyler und der Herausgabe seiner Apotheose Georgs III. war der Dichter von „Freiheit und Gleichheit“ zum „angestammten Recht“ übergegangen und vertheidigte jetzt dieses Extrem als Dichter, als Geschichtschreiber und als Kritiker mit demselben Eifer, gleicher Entschiedenheit und nicht minderer Rücksichtslosigkeit, als er früher für das entgegengesetzte Extrem bewiesen hatte.

Zu seinen Hauptwerken in Prosa gehören die Uebersetzungen: Chronicle of the Cid (1808. 4.); Amadis of Gaul (4 Bde. 1803); Palmerin of England (1807); die Aufsätze, wie Letters of Don Manuel Espriella from England to Spain (3 Bde. 12.); Letters from Spain and Portugal, and Travels in those Countries (eine Schilderung seines Aufenthalts auf der pyrenäischen Halbinsel); An Account of the Madras System of Education, founded by Dr. Andrew Bell; Sir Thomas More’s Cooloquies upon the Progress and Prospects of Society (2 Bde.) und die kleineren Omniana (2 Bde. 12.); die geschichtlichen Darstellungen: Book of the Church (eine polemische Schrift zur Vertheidigung der Hochkirche in 2 Bdn.); History of the Peninsular War (6 Bde. 1822–28); History of the Brazils (3 Bde. 1810 etc. 4.); die Kritiken, wozu besonders seine Beiträge zum Quarterly Review und früher zu dem Edinburgh Annual Register gehören, von denen er unter dem Titel Essays Moral and Political eine Auswahl herausgab; endlich seine biographischen Schriften, unter denen Life of Nelson (2 Bde. 1813 und in einer abgekürzten Bearbeitung in der Family Library 1831) eine der populärsten und besten Lebensbeschreibungen in englischer Sprache ist, voll hochherziger Gesinnungen und in einem tadellosen Styl; ferner Life of John Wesley (2 Bde. 1820), Life of Cowper, Life of Chatterton, Life of Kirke White of Nottingham, in dem sich Southey von einer seiner liebenswürdigsten Seiten zeigt.

Seine Pflichten als Hofpoet erfüllte Southey wie ein Mann von selbstständigem Charakter und unabhängiger Gesinnung. Die knechtische Sitte, ein Jahr wie das andere die Mitglieder des Königshauses zum Ueberdruß mit Geburtstagsschmeichelreimen zu überschütten, weshalb noch Sir Walter Scott die ihm ebenfalls angebotene Stelle nicht annahm, schaffte Southey ab. Er beschränkte sich darauf, solcher Vorfälle, die seiner Feder würdig schienen, in der ihm gelegenen Zeit und Art zu gedenken. Die Vermählung der Prinzessin Charlotte bot einem Hofpoeten die vortrefflichste Gelegenheit zum Schmeicheln; Southey aber trat in seiner Festrede mahnend auf und erinnerte daran, welche Pflichten einem Fürsten obliegen und was das Volk von ihm zu erwarten berechtigt sei.

Southey’s Haus, Gretahof.

Obwohl der Parteiwechsel und besonders der Uebergang von liberalen zu conservativen Ansichten in England nicht selten ist, so waren doch Southey’s Grundsätze früher zu grell hervorgetreten und seine Bekämpfung der ehemaligen Meinungsgenossen trug später einen allzu feindseligen Charakter, um ihm Ansprüche auf Schonung zu geben. Auch hatte die Veränderung seines politischen Glaubensbekenntnisses so viele äußere Vortheile zur Folge, daß ein Zweifel, ob sie wirklich blos das Ergebniß größerer Einsicht und genauerer Kenntniß sei, allerdings nicht ohne Grund war. Southey selbst erklärt indeß in der neuesten Auflage seines Wat Tyler, den er dabei als eine „Jugenddichtung“ bezeichnet, er schäme sich ebensowenig, in seinen ersten Lebensjahren Republikaner gewesen zu sein, als er sich schäme, einst ein Knabe gewesen zu sein. Die Kritik ertrug er überhaupt mit großer Gemüthsruhe, obwohl sie nicht selten durchaus persönlich und höchst verletzend gegen ihn war. Auch Lord Byron, den er in seinem seltsamen Gedicht The Vision of Judgment das Haupt der satanischen Schule genannt hatte, griff ihn heftig an. Er nahm aber kaum Notiz von diesen Anstrengungen seiner Gegner und die bedeutendste Aeußerung, welche von ihm darüber bekannt ist, findet sich in der Vorrede zum vierten Bande der Sammlung seiner Gedichte, wo er über sein Verhältniß zu Wordsworth und Coleridge sich näher erklärt.

Southey, Wordsworth und Coleridge waren vertraute Freunde, und obwol sie alle auf demselben Felde dem Ruhme nachstrebten, wurde ihr gegenseitiges Verhältniß doch nie durch Neid oder Eifersucht auch nur vorübergehend getrübt. Als Gatte, als Vater und als Freund war Southey ein Muster von Liebenswürdigkeit und Pflichttreue. Abgesehen von den Ansichten, die er zuweilen so leidenschaftlich verfocht, bewies er sich wohlwollend, großmüthig, nachsichtig und namentlich pünktlich, was bei einem Schriftsteller, den ununterbrochene Anstrengung vor der Zeit alt machte, sehr viel sagt. Seine politischen Gesinnungen mögen in Frage zu stellen sein, seine Werke sich weniger durch Originalität, als durch Reinheit der Sprache, Eleganz des Styls, Reichthum an Bilderschmuck und metrische Gewandtheit auszeichnen: als Mensch wird Robert Southey stets hochachtungswerth dastehen. 15. 


Modebericht.

Es freut uns, heute unsern Lesern das bereits in der dritten Nummer ausführlich beschriebene Amazonenkleid von Humann nun auch im wohlgelungenen Bilde vorführen zu können.

Amazone von Humann.


Leipzig, Verlag von J. J. Weber. – Unter Verantwortlichkeit der Verlagshandlung. – Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.
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: Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_06.pdf/16&oldid=- (Version vom 13.5.2023)