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Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843


Erzherzog Friedrich von Oestreich.

fast gar keinen Anhalt darbietet, so ist durch eine königl. Verordnung vom 30. Juni sämmtlichen bisher nur in der Form von Ministerial-Rescripten vorhandenen Beschränkungen der Presse, soweit dieselben auch fernerhin aufrecht erhalten werden, Gesetzeskraft verliehen worden. Neben den Beschränkungen sind in dieser Verordnung jedoch auch zwei Erleichterungen ausgesprochen, von denen die eine minder wesentlich ist: nämlich die Erlaubniß, Schriften, die auf Anordnung einer Staatsbehörde im Bereich oder für den Zweck ihrer amtlichen Wirksamkeit gedruckt werden, ebenso wie die unter Autorität der Akademie der Wissenschaften und der Universitäten erscheinenden Schriften, ohne Genehmigung der Censur herausgeben zu dürfen. Die andere Erleichterung darf jedoch als eine wesentliche bezeichnet werden: nach dem §. 20 der gedachten Verordnung bedürfen nämlich solche Zeitschriften, die in monatlichen oder noch größeren Zeiträumen erscheinen, keiner besondern Concession; demgemäß sind auch bereits in Preußen mehre neue Monatschriften angekündigt oder werden vorbereitet.

Im ganzen westlichen Deutschland hat sich während der letzten Wochen vor der Ernte eine ziemlich fühlbare Getreide-Noth und Theuerung kund gegeben, die nur durch Zufuhren aus dem östlichen Deutschland – zum Theil auf den Eisenbahnen über Berlin und Sachsen – und aus den Ostseehäfen, die ihre Verschiffungen über Rotterdam nach den Rheinstädten gelangen ließen, gemildert wurde. Auch dies ist ein Fingerzeig, daß unser Vaterland weniger darauf bedacht sein mag, seine Getreide-Production an England und Holland abzusetzen, als sich mit diesen Ländern auf den Fuß einer nicht chimärischen, sondern wahrhaften Handels-Reciprocität zu stellen. Für unser Getreide fehlt es uns nicht an Consumenten, wohl aber für die Erzeugnisse unseres Gewerbfleißes, der nicht blos auf fremden, sondern auch auf unseren eigenen Märkten mit der Concurrenz der überwältigenden Industrie und Schifffahrtsgesetze Englands zu kämpfen hat. Ein anderes deutsches Product, die Wolle, liefert uns auch schlagende Belege. Nicht das Ausland ist es, das unserm Agriculturisten seinen Fleiß belohnt; denn England bezieht mit jedem Jahre mehr Wolle aus Australien und wird Deutschlands auch in dieser Beziehung bald ganz entbehren können; dagegen waren es deutsche Fabrikanten, welche größtentheils die Vorräthe auf den diesjährigen Wollmärkten gekauft, und diese mögen sich in Norddeutschland allein auf 200,000 Centner zu einem Werthe von acht Millionen Thaler belaufen haben. Nur weil unsere Wollenwaaren durch den Zolltarif gegen die Concurrenz des Auslandes mehr geschützt sind, vermögen die Fabrikanten auch solche Preise zu zahlen, bei denen die Producenten bestehen können. Wollte der Himmel, unsere Linnen-Erzeugnisse hätten sich gleichen Schutzes zu erfreuen, und würden dadurch ermuthigt, auch der Redlichkeit sich wieder zu befleißigen, die sonst den Ruhm der deutschen Linnenfabrikation ausmachte und leider jetzt in vielen Fällen betrügerischen Kunstgriffen gewichen ist.

Als ein Fortschritt in der Gesetzgebung des deutschen Zollvereins ist die am 21. September 1842 abgeschlossene, aber erst kürzlich publicirte Uebereinkunft zu betrachten, wonach die Erfindungspatente und Privilegien, die in einem der zum Zollverbande gehörenden Staaten erheilt werden, auch in den übrigen Staaten vollständige Gültigkeit haben und hier gleichen Schutz mit den im eigenen Lande ertheilten genießen sollen. Die Ertheilung eines Patents soll jedoch fortan niemals ein Recht begründen, die Einfuhr solcher Gegenstände, die mit den patentirten übereinstimmen, oder den Verkauf und Absatz derselben zu verbieten und einzuschränken. Ob hierdurch nicht der Vortheil, den das Patent gewährt, ganz illusorisch wird, ist mindestens in manchen Fällen sehr zu besorgen. Es scheint uns, als wäre in diesen Fällen das Patent zugleich ein Privilegium für das Ausland zum Nachtheile der nichtpatentirten Inländer.

Ein ähnlicher Schritt, wie der vor drei Jahren zwischen Hessen-Darmstadt und Nassau wegen der Rheinschifffahrt bei Bieberich, dessen Hafen durch die in den Strom versenkten Steine für Dampfschiffe unzugänglich werden sollte, hatte sich kürzlich zwischen Baden einerseits und Württemberg und Bayern andererseits wegen der Dampfschifffahrt auf dem Bodensee erhoben. Eine Verfügung der großherzogl. badischen Regierung des Seekreises – Konstanz – vom 20. Juni schließt nämlich in den badischen Häfen die Dampfschiffe sowohl der Friedrichshafener – württembergischen – als der Lindauer – bayerischen – Gesellschaft von der Berechtigung aus, Personen- und Güterladungen einzunehmen, angeblich zur Wiedervergeltung von Erschwerungen, die den Konstanzer Dampfschiffen in Friedrichshafen und Lindau auferlegt sind. Wer hätte wohl geglaubt, daß dergleichen Verbote noch in Deutschland und im Schooße des Zollverbandes vorkommen können? Es ist um so erfreulicher, daß diesen Eifersüchteleien nach öffentlichen Nachrichten schon wieder ein Ende gemacht worden ist, da ein freies Volk – das der Schweiz – unmittelbarer Zuschauer der Streitigkeiten auf dem Bodensee ist, und diese doch eben nicht geeignet waren, die Achtung des Auslandes vor dem deutschen Bunde zu vermehren.

Am 30. Juni fand in London die Vermählung eines deutschen Thronerben, des Erbgroßherzogs Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz – geb. 1819 – mit der Prinzessin Auguste Karoline von Cambridge – geb. 1822 – statt. Drei gekrönte Häupter, die Königin von Großbritannien, der König von Hannover und der König von Belgier, waren bei dieser Ceremonie anwesend.

Ausland.

Frankreich und England halten jetzt beide die Blicke auf Spanien gerichtet, wo die Begebenheiten sich rascher entwickeln, als man noch vor Kurzem geglaubt hatte. In Frankreich, wo die Königin Christine lebt, ist weder bei der Regierung noch beim Volke irgend eine Sympathie für den Regenten Espartero zu finden, dem man, vielleicht nicht mit Unrecht, eine Vorliebe für England beimißt, wie man sich denn auch zu Erregung schon des letzten Barceloner Aufstandes, der von den zahlreichen catalonischen Fabrikarbeitern ausging, nicht ohne Erfolg des verleumderischen Gerüchtes bedient hatte, daß er den Engländern in einem Vertrage große Begünstigungen eingeräumt habe. Jetzt heißt es, daß englische Kriegsschiffe von Gibraltar aus abgesandt seien, die insurgirten spanischen Häfen zu beobachten; wahrscheinlicher ist, daß Frankreich es gewesen, welches den Cataloniern und Valencianern Waffen und Geld zusandte und gewiß ist, daß die Generale Narvaez und Concha, Freunde des Don Diego Leon, welche sich an die Spitze des Aufstandes in Andalusien gestellt, direct aus Frankreich kamen. Französische Journale sind es auch, die fortwährend die Sache Espartero’s als schon verloren darstellen, während die englischen Zeitungen nicht aufhören, seine männliche Gesinnung und Festigkeit zu rühmen. Wir Deutsche, die wir weder für die eine noch für die andere Partei ein egoistisches Interesse haben, wir können nur wünschen und dürfen hoffen, daß in Spanien, wie überall, die Vernunft und das Recht den Sieg davontrage.

Bevor Espartero von Madrid abging, versammelte er das diplomatische Corps um sich, zu welchem er, mit Hindeutung auf Oestreich, Preußen und Rußland, sagte: „Ich bedaure ungemein, daß noch immer einige der größten Mächte zögern, dem von mir vertretenen Throne Spaniens die ihm gebührende Anerkennung zu gewähren, die ihm eine so große moralische Unterstützung verleihen und ihre eigenen Interessen fördern würde. Die Achtung, die ich der Unabhängigkeit meines Landes schuldig bin, verbietet mir jedoch, um eine solche Anerkennung zu bitten.“ – Bei dieser Gelegenheit erklärte der Herzog zugleich, er werde die ihm durch die Nation anvertraute Regentschaft sich nicht abtrotzen lassen, sondern nur in die Hände der Cortes niederlegen. Daß er die zuletzt erwähnte Absicht habe, wurde auch anderweitig vielfach behauptet; und als Einwand gegen die Aufrichtigkeit seiner Gesinnung kann selbst die zweimalige Auflösung der Cortes in einem Jahre nicht geltend gemacht werden, da er hier nur mit einer eben so seltnen als ehrenwerthen Offenheit dem verdächtigen Bündniß zweier entgegengesetzter

Prinz Adalbert von Preußen.

Parteien entgegen trat, und in beiden Fällen mit einer Gewissenhaftigkeit, die ihm von vielen Seiten zum Vorwurf gemacht wird, an der Verfassung festhielt. Die junge Königin weilt noch in Madrid, doch fürchtete man, die Königin Christine werde den vor zwei Jahren gemachten Versuch einer Entführung, an welchem Don Diego Leon scheiterte, erneuern lassen, während man die Nachricht ausstreut, die Minister Espartero’s würden die erste Veranlassung benutzen, um Donna Isabella nebst ihrer Schwester nach dem Hauptquartier des Regenten abzuführen.

Eine eigenthümliche Erscheinung bietet das Königreich Griechenland dar: nämlich einen Staat, dessen Deficit im Budget durch die Finanzministerien dreier anderer Länder gedeckt wird. England, Frankreich und Rußland sind auch in diesem Jahre herangezogen worden für die Bürgschaft, die sie im Jahre 1833 in Bezug auf die griechische Anleihe übernommen und die jedem Staate jährlich eine Ausgabe von ungefähr 140,000 Thaler veranlaßt, mit denen er in Vorschuß treten muß. Die Gesandten der drei Mächte haben jedoch in einer zu London gehaltenen Conferenz der griechischen Regierung die Forderung gestellt, ihr Ausgabebudget, das sich für den innern Dienst auf 12 – im Ganzen auf etwa 18 – Millionen Drachmen – à 71/2 Ngr. – beläuft, statt um eine Million, wie es die Absicht der Regierung war, um 31/2 Millionen Drachmen zu reduciren. Die Ausgaben für das Heer beliefen sich im J. 1842 noch auf 51/4, die für die Marine auf 11/2 und die der königl. Civilliste auf eine Million Drachmen. König Otto war bereits mit dem guten Beispiele vorangegangen, die letztere ansehnlich zu reduciren; das Heer jedoch und die Marine werden sich nunmehr nicht minder bedeutende Reductionen gefallen lassen müssen. Griechenlands gesammte Staatsschuld mit Einschluß desjenigen Theiles, dessen Zinsen schon seit längerer Zeit nicht bezahlt werden, beläuft sich jetzt auf etwa 50 Millionen Thaler, was allerdings im Verhältniß zu seinen ungefähr 4 Millionen Thaler betragenden jährlichen Einnahmen eine sehr bedeutende Summe ist – Preußen besitzt, bei einer 13 mal so großen Einnahme, doch nur 31/2 mal so viel Schulden, als Griechenland.


Algerien.
I.
Land und Volk.

Zwischen der Westgrenze von Tunis und der Ostgrenze von Marocco liegt im Norden von Afrika eine Küstenstrecke am Mittelmeer, die, 123 Meilen lang, ohne bedeutende Meerbusen, zum Theil felsig, von starken Brandungen, heftigen Strömungen, gefährlichen Klippen geschützt, doch auch mehre gute Hafenplätze hat, wozu von Westen nach Osten besonders Mers-el-Kebir, Oran, Arzew, Budschia, Stora, Bona und Calle gehören. In derselben Richtung wie die Küste durchzieht der Atlas mit zwei Gebirgsketten

Mostaganem.

Empfohlene Zitierweise:
: Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_06.pdf/4&oldid=- (Version vom 11.5.2023)