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Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843


Das grosse Norddampfboot.

Dieses außerordentliche Dampfschiff liegt jetzt in den Ostindia-Docks – London – und ist dort der Gegenstand einer ungewöhnlichen Bewunderung. Seine erstaunlichen Verhältnisse in Länge, Breite und Tiefe übersteigen, so viel uns bekannt ist, alle bis jetzt bei Dampfschiffen stattfindende.

Durchschnitt.

Gallion.

Der Erbauer des Schiffes ist der Capitain Copin in Londonderry, der sich durch dasselbe in der That ein anerkennungswerthes Denkmal in der Schiffsbaukunst gesetzt hat. Die forttreibende Bewegung geschieht durch eine archimedische Schraube, welche unter dem Spiegel des Schiffs, hinter dem Steuer von der Dampfmaschine umgedreht wird, wodurch die Ruderräder ersetzt und beseitigt werden. Bemerkte man nicht den Schornstein, müßte man das Schiff für ein Segelschiff halten. Es hat drei Masten mit Unter- und Oberraaen, und ist in jeder Beziehung wie eine Kriegsfregatte aufgetakelt: vom Vorsteven bis zum Hackbord 247; Breite des Schiffs 37 Fuß, Tiefe vom Gangweg bis zum Kiel 50 Fuß. Auf seiner Fahrt von Londonderry machte es durchschnittlich 131/4 Knoten ohne die Maschine, die man anwenden kann oder nicht, je nachdem es nöthig ist. Mit der Maschine ging es 9 Knoten mit Gegenwind – der Ladungsraum ist sehr geräumig. Steht man hinten auf dem Oberlaufdeck und sieht vor, so scheint die Entfernung in der That ungeheuer zu sein, und sie überschreitet auch die des längsten Schiffs in der englischen Flotte. In der äußern Erscheinung giebt sich das Schiff als ein riesiges Dampfbootungeheuer, obwohl in ansprechenden Formen. Eine schöne weibliche Figur ziert den Schiffsschnabel, während der Spiegel mit Gold und Malerei reich geschmückt ist. Wegen seiner schweren Masten, Raaen und Takelage erfordert das Schiff viel Ballast. – Die Versuchsreise von Londonderry nach England beweist seine Seetüchtigkeit, Geschwindigkeit im Segeln und Dampfen, ohne daß eines das andere hindert, sondern beide Bewegungsmittel sich gegenseitig unterstützen. – Die Schraube macht in der Minute 64 – 66 Umgänge.


Ueber die Hoffnungen deutscher Industrie auf einen Handelsverkehr mit China.

Durch die Siege Englands in China ist dieses unermeßliche Reich, das mehr Einwohner zählt, als ganz Europa, wider des Kaisers und seiner Mandarinen Willen genöthigt worden, seine Häfen dem Handel mit den Fremden, die früher mit dem Ehrentitel „rothborstige Barbaren“ belegt wurden, zu öffnen. Zunächst genießt allerdings England die möglichen Vortheile des sich entwickelnden Handels; es ist inzwischen zu hoffen, daß dasselbe auch andere Nationen an demselben wird Theil nehmen lassen, und zwar vornehmlich aus dem schlagenden Grunde, weil es diese Handelstheilnahme, ohne Krieg zu führen, nicht wird verhindern können. Es ist daher allen Schiffen der Weg aufgethan, China’s Häfen zu besuchen und zu versuchen, ob dort mit Vortheil zu kaufen und zu verkaufen sein wird. – Sollte Deutschland nun ein ruhiger Zuschauer dieses sich aufthuenden Verkehrs bleiben, während Amerika und Frankreich, Holländer und Portugiesen insbesondere sich rüsten, mit England in Handelsmitbewerbung zu treten? Wir hoffen nicht, glauben vielmehr, daß nicht allein unsere Hansestädte und die preußischen Handelsvereine nach Kräften thätig sein werden, sondern daß auch von Triest aus und endlich sogar auf dem Landwege sich indirecte Handelsbeziehungen mit China anknüpfen lassen werden.

Sobald es möglich sein wird, gewisse Industrieerzeugnisse Deutschlands, über die wir weiterhin einige Andeutungen geben werden, mit Nutzen in China zu verkaufen, wird es sicher Rechnung geben, directe Verschiffungen von Hamburg und Bremen zu bewirken, um dagegen chinesische Producte, zunächst Thee und Seide, vielleicht später noch andere Erzeugnisse, die der Handel nach und nach ans Tageslicht bringt, zurück zu bringen. Triest wird einerseits direct ums Vorgebirge der guten Hoffnung, andererseits aber auch über Suez verschiffen können. Schon hat vor Kurzem die östreichische Brigg Pylades eine Ladung Thee, Reiß und Indigo, welche von Indien nach Suez durch das indische Schiff: Bengalen, und von Suez nach Kairo auf Kameelrücken gebracht wurde, von Alexandria nach Triest geführt. – Dies giebt den Beweis, daß deutsche Waaren über Ostindien nach China, statt sie lange in holländischen, englischen und Hamburger Speichern aufzulagern, in der kurzen Zeit von zwei Monaten nach Ostindien geschafft werden können. Daß über Rußland, welches mit China einen lebhaften Tauschhandel treibt, so wie über Persien, wo allem Vermuthen nach früher schon Handelsverbindungen mit China bestanden, sich Geschäfte machen lassen werden, ist nicht unmöglich. Allerdings dürfen wir von Rußland nicht zu viel erwarten, da dieses große Reich Handel und Industrie wohl für die eigenen Einwohner mit allen Kräften zu befördern sucht, inzwischen alle fremde Mitbewerbung so viel wie nur immer möglich von sich abhält.

Kenner des chinesischen Handels, unter andern der preußische Generalconsul O’Swald in Hamburg, sind nicht ohne Hoffnung für Entwicklung eines gedeihlichen Handelsverkehrs zwischen Deutschland und China, ohne sich gerade zu übertriebenen Hoffnungen hinzugeben. Letzterer sagt unter Anderem: „Ich hege eine vollkommen günstige Meinung für die allmälige Entwicklung der deutsch-chinesischen Handelsverhältnisse, welche mit der nothwendigen Unterstützung der betreffenden Regierungen und unter richtiger Auffassung und Benutzung der Verhältnisse selbst zu einer großen und imposanten Ausdehnung gelangen, und das materielle Wohl Deutschlands, welches in vielen Artikeln der Concurrenz Englands siegreich entgegenzutreten fähig ist, und alle Elemente, vorzugsweise vor anderen europäischen Staaten, England ausgenommen, zu einem lebhaften Verkehr mit China in sich trägt, auf eine hohe Stufe des Gedeihens führen können.“ – Um dahin zu gelangen, sind inzwischen nicht geringe Anstrengungen und nicht gewöhnliche Ausdauer vonnöthen. Auf ein Entgegenkommen von Seiten Englands, deutschen Gewerbserzeugnissen Eingang in China zu verschaffen, ist auf keine Weise zu rechnen. Selbst wenn deutsche Waaren besser und wohlfeiler wie englische sind, nimmt der englische Kaufmann Anstand, sich jener zur Verschiffung zu bedienen, und – für Geld – sind die Kosten der Verschiffung und der Rücksendung über England zu groß, um auf diese Weise mit China zu verkehren. Es kann daher nur von Deutschland geradaus geschehen. Es ist dies auch um so nöthiger, weil nur durch eigene Anschauung die deutschen Geschäftsleute den chinesischen Markt kennen und beurtheilen zu lernen im Stande sind, und weil viel

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: Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_06.pdf/7&oldid=- (Version vom 12.5.2023)