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Illustrirte Zeitung, Nr. 7 vom 12. August 1843


Ihr bleibt eine schönere Aufgabe: sie kann das Ideal einer Gattin und Mutter sein. Wer möchte leugnen, daß Gift und Arznei den Körper bewältige, Gesundheit und Krankheit die Seele umstimme? Wo die Noth ihre dürren Finger hinstreckt, wo Dienstbarkeit die Seele mit Schwielen bedeckt: wie soll da das Schönste und Edelste der menschlichen Natur zur vollständigen Entwickelung und Ausbildung gelangen? Wirkt aber Alles zusammen, um die herrlichste Lebensatmosphäre zu bilden, bietet sich überall dar, was die höchste Vollkommenheit hat: dann kann in einem Kreise voll Licht und Farbe und Ton und Duft, wie die Erde sie klarer und reiner und schöner nicht hat, erhaben über jede niedrige Annäherung, jede störende Einwirkung, jede verderbliche Verunstaltung, die höchste Stufe der Entwickelung und Ausbildung erreicht werden.

Und wo ist ein Standpunkt, der in dieser Beziehung mit der Stellung des Thrones von England vergleichbar? Was die Erde zu bieten vermag, ist ihm zugänglich; alle Welttheile bringen ihm ihre Schätze dar. Keine Bedrängniß trübt dort die Klarheit des Lebensstromes, in edler Freiheit können sich alle Kräfte entfalten: Wo wäre Harmonie und Ebenmaß zu suchen, wenn nicht in solchem Kreise!

Diese Vorzüge ihrer Stellung hat die Königin Victoria auch stets bewiesen. Fest und ruhig in allen Beziehungen, zu denen ihre Herrscherstellung sie führt, lebt sie naturtreu ganz ihrem Berufe als Gattin und Mutter. Im schönsten Gleichklang fließt ihr Leben dahin. Einem herrlichen deutschen Jüngling von edlem Herzen und gebildetem Geiste, dem Geliebten ihrer Kindheit, reichte sie in blühender Jugend die Hand. Liebliche Kinder scharen sich um die glücklichen Aeltern. Ihr Familienleben gilt dem ganzen englischen Volke, das dieses Erdenglück vor allen andern würdigt und genießt, als Muster und Vorbild.

Dieses heitere und reine Dasein ist aber keineswegs eintönig. Menschliche Schwächen und irdische Unvollkommenheiten sorgen schon dafür, daß es auch ihm nicht an den Anregungen fehlt, die zur Prüfung und Läuterung erforderlich scheinen. Die Königin war wiederholten Versuchen ausgesetzt, liebgewordene Freunde von ihr zu entfernen, ihr den gewohnten Umgang zu entziehen und abgeneigte Personen in ihre Nähe zu bringen. Schon ehe die Prinzessin Victoria zur Selbstständigkeit gelangt war, suchte man deren Mutter alles Einflusses auf die Erziehung ihrer Tochter zu berauben und die von ihr gewählten freisinnigen Lehrer durch Anhänger der Torypartei zu verdrängen. Nur der rasche Tod des Königs und ihre eigne Thronbesteigung rettete die achtzehnjährige Prinzessin vor der Umgebung mit einem widerwärtigen Hofstaate, den man ihr auswählen und aufdringen wollte. Ein Toryministerium verlangte von ihr die Aufopferung der vertrautesten weiblichen Umgebung, und ihre Weigerung führte jahrelange Parteikämpfe herbei, die erst mit der Niederlage und dem Ausscheiden ihrer liebsten Räthe endeten. Die der Macht sichern Gegner begnügten sich jetzt zwar mit milderen Bedingungen, doch ward der Fürstin die Aufopferung einzelner Freundinnen nicht erspart. Der Parteihaß tastete selbst ihren Ruf an, und ehe ihre Liebe zum Prinzen Albert, ihre Bekanntschaft mit ihm seit früher Jugend, kund geworden, verbreiteten die Gegner ihrer Freunde die seltsamsten Sagen, unter denen eine zärtliche Neigung zu dem in Ostindien angestellten Lord Elphinstone am bekanntesten wurde. Durch glänzende Huldigungen, welche der verwittweten Königin geflissentlich dargebracht wurden, suchte man die absichtlichste Vernachlässigung der jugendlichen Herrscherin in einen grellen Contrast zu stellen. Den Stolz des Weibes und der Königin verletzte die Weigerung des Parlaments, dem Auserwählten und Geliebten den Rang ihr zunächst zu bewilligen, sowie die gehässige Verkürzung des für ihn verlangten Jahrgeldes um 20,000 Pfd. Strl. Das immer neue Auftauchen wahnsinniger Liebeserklärer war weniger lästig, als lächerlich; gefährlich aber wurde die politische Tollheit, die nun schon zu wiederholten Malen Kinder und Narren gegen das Leben der Königin bewaffnet hat. Am empfindlichsten aber berührte das reine Herz der unschuldigen Fürstin der Tod eines Hoffräuleins, Flora Hastings, deren Todeskrankheit durch Körperverunstaltung einen Verdacht erregt hatte, den beachtet zu haben die Verleumdung der Königin mit solcher Gehässigkeit zum Vorwurf machte, daß alle Genugthuung, die sie dem unglücklichen Opfer eines unverschuldeten Irrthums zu Theil werden ließ, nicht genügend erschien.

Doch solche Wolken vermochten die Seele der Königin wohl augenblicklich zu umschatten, nicht dauernd zu trüben, und für den Haß der Tories wird sie durch die begeisterte Liebe des Volkes, welche bei jeder Gelegenheit, wo sie sich öffentlich zeigt, unaufhaltsam hervorbricht, reich entschädigt, und bei keinem Volke haben öffentliche Ehrenbezeigungen so hohen Werth, als in England, welches dem Enthusiasmus schwerer als irgend ein anderes zugänglich ist, und wo auch die entgegengesetzte Stimmung sich aussprechen darf, und sowohl gegen Georg IV. als Wilhelm IV. nicht selten auf sehr ernste Weise sich ausgesprochen hat. Deshalb die Erziehung der englischen Thronerben zu einer Festigkeit, die auch in den Zügen der Königin, bei aller Milde und Freundlichkeit, sich unverkennbar ausprägt. Die jüngste Prinzessin, vor Kurzem getauft, erhielt die ächt englischen Namen Alice Maud Mary. Ihr älterer Bruder, der Prinz von Wales, zu dessen Taufe Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen, als Pathe nach London kam, führt die Namen Albert Eduard und die Titel: Herzog v. Cornwall, Herzog v. Sachsen, Herzog von Rothsay, Graf v. Carrick, Baron v. Renfrew, Lord der Inseln, Großstewart von Schottland, Prinz v. Wales und Graf v. Chester. Die erstgeborene Prinzessin heißt Victoria, wie ihre Mutter.



Unser Wochenbericht.

Es hatte in ganz Deutschland Aufmerksamkeit erregt, als es hieß, die preußische Staatszeitung wolle mit ihrem Namen zugleich die Sprödigkeit aufgeben, mit der sie bisher die deutschen Angelegenheiten, mit Einschluß der preußischen, in ihren Spalten behandelt, während sie dagegen den Correspondenzberichten aus Frankreich und England und selbst aus Nord- und Süd-Amerika den größten Raum bewilligt hatte. Es war dies nach dem Beispiele der Allgemeinen Zeitung von Augsburg geschehen, die sich unter Stegmann’s Redaction während der beiden verflossenen Jahrzehende durch die Mannigfaltigkeit ihrer Correspondenzberichte ein sehr großes Publicum gewonnen hatte. Was jedoch 1820 und auch noch 1830 eine gute Speculation sein mochte, das war im Jahre 1840 ein entschiedener Mißgriff. Die drei oder vier sich wiederholenden Briefe, welche die Staatszeitung täglich aus Paris brachte, blieben eben so ungelesen als ihre Privatmittheilungen vom La Plata und aus Montevideo. Friedrich Wilhelm IV. hatte bei seiner Thronbesteigung angekündigt, daß er vor Allem ein deutscher Monarch sein wolle, aber was man in dem Organe seiner Regierung fand, hatte nichts weniger als einen deutschen Charakter. Daher war man allgemein gespannt auf die Veränderung, die nun mit dem Organe der Regierung, welches seit dem 1. Juli den Namen „Allgemeine preußische Zeitung“ angenommen, vorgehen würde. In den bisher erschienenen Nummern hat indessen die Zeitung auch in ihrer neuen Gestalt den Erwartungen nicht entsprochen, die sie selber erregt hatte. Eine sehr fehlgegriffene Betrachtung über den Begriff der germanischen und der romanischen Freiheit, mit welcher sie debütirte, und die Polemik, die dieser Aufsatz in andern Blättern hervorrief, scheint den beabsichtigt gewesenen Artikeln, noch bevor damit recht angefangen war, schon wieder ein Ende gemacht zu haben, und man sieht daher nächstens einer neuen Wandlung des Ministerialorgans entgegen.

Erfreut hat dagegen, was mehre deutsche Blätter aus Oestreich berichteten, daß nämlich die Erschwerungen, die bisher dort Seitens der Post der Vertrieb der im übrigen Deutschland erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften fand, beseitigt werden sollen. In einem mehren östreichischen Unterbehörden zur Begutachtung übersandten Vorschlag werden folgende Grundsätze als maßgebend ausgesprochen: „Das vorzüglichste Bestreben der Postanstalt muß bei billigen Taxen dahin gerichtet sein, den Zeitungverkehr möglichst zu erleichtern, solchen innerhalb der gesetzlichen Schranken von jedem lästigen Zwange frei zu erhalten, gegen alle Willkürlichkeiten in der eigenen Geschäftssphäre zu schützen und die richtige Beförderung und Abgabe der Zeitungen an das Publicum durch geeignete Manipulationsvorschriften zu sichern.“

Das dem Obercensurgericht in Berlin vom Justiz-Ministerium vorgeschriebene Regulativ für sein Verfahren ist zur öffentlichen Kenntniß gebracht worden und wohl geeignet, zu dem neuen Institute Vertrauen einzuflößen. Die wesentlichsten Bestimmungen dieses Regulativs sind folgende: „Jedem Erkenntnisse des Obercensurgerichts muß ein schriftliches Verfahren vorausgehen; die Entscheidungen des Obercensurgerichts erfolgen auf den schriftlichen Vortrag zweier Referenten. Der Antrag des Staats-Anwalts auf ein vom Obercensurgericht zu erlassendes Debitsverbot ist durch Beifügung der betreffenden Schrift und durch Angabe der Gründe, aus welchen er dieselbe als gefährlich für das gemeine Wohl erachtet, zu begründen; der auf Entscheidung über den Verlust des Privilegiums oder der Concession zu einer Zeitung oder anderen Zeitschrift, oder über die Zurücknahme der dem Redacteur einer privilegirten Zeitung ertheilten Bestätigung oder über die Entfernung des Redacteurs einer concessionirten Zeitung oder Zeitschrift muß durch eine vollständige Klageschrift begründet werden; auf den Verlust des Rechts zum Gewerbe des Buchhandels oder der Buchdruckerei kann nur auf den Grund einer förmlichen Untersuchung erkannt werden. Soll das Verbot des Debits sämmtlicher Verlags- und Commissions-Artikel einer ausländischen Buchhandlung beantragt werden, so muß der Staats-Anwalt nachweisen, daß die gesetzlich vorgeschriebene Verwarnung erfolgt sei, sowie daß die betheiligte Buchhandlung vor und nach der Verwarnung verwerfliche Schriften im Inlande verbreitet habe.“

Vielleicht die einzige Garantie, die bei diesen Anordnungen vermißt wird, ist die der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit; auch werden die schriftlichen Verhandlungen des Obercensurgerichts erstens mit der Privatpartei, zweitens mit dem Staatsanwalt und drittens endlich mit dem für den Angeschuldigten competenten Untersuchungsgericht die Zeit und die Kräfte des neuen Institutes mehr in Anspruch nehmen, als zur raschen Erledigung der Sachen wünschenswerth ist, und so wird dasselbe, ungeachtet des guten Willens, den es bereits bei seinen ersten Entscheidungen an den Tag gelegt, den Anforderungen des Landes schwerlich entsprechen können. Daß auch das Verbot des Debits sämmtlicher Verlags- und Commissions-Artikel ausländischer Buchhandlungen in die Macht des Obercensurgerichts gegeben werden, ist freilich eine Garantie gegen die bloße Willkür von Administrativbehörden; immer bleibt jedoch zu bedauern, daß eine solche von ganz Deutschland als einer erleuchteten Regierung unwürdig erklärte Strafmaßregel überhaupt noch für zulässig erachtet wird.

Die seit dem 1. Jan. d. J. in Preußen verboten gewesene Leipziger – jetzt DeutscheAllgemeine Zeitung ist dort seit dem 1. Juli, „in der Voraussetzung, daß sie dem Geiste und der Richtung treu bleibt, welche sie seit der Zeit kundgegeben, wo der Professor Bülau deren Leitung übernommen,“ durch eine königliche Cabinetsordre wieder erlaubt worden.

Am 19. Juli starb in Bromberg auf einer Inspectionsreise, die er nach Königsberg unternommen hatte, der Prinz August von Preußen, geb. am 19. Sept. 1779. Im Kriege von 1813–15 hatte er sich durch persönliche Tapferkeit ausgezeichnet, und das preußische Artilleriewesen, an dessen Spitze er seitdem stand, verdankt ihm manche nützliche Verbesserung. Mit ihm starb die Nebenlinie des preußischen Königshauses aus, welches jetzt nur noch aus Nachkommen Friedrich Wilhelm’s II. besteht, während Prinz August – ein Sohn des Prinzen Ferdinand –, eben so wie der gedachte König – der ein Sohn des Prinzen August Wilhelm gewesen –, ein Enkel Friedrich Wilhelm’s I. und ein Neffe Friedrich’s des Großen war. Da Prinz August keine legitime Descendenz hat, so fällt der aus Fideicommißgütern bestehende sehr bedeutende Theil seiner Hinterlassenschaft an die Krone und nur sein Privatvermögen, das jedoch ebenfalls nicht unbeträchtlich sein soll, wird unter seine natürlichen Kinder vertheilt.

Die rheinländischen Provinzialstände Preußens haben ihre diesjährige Session am 20. Juli geschlossen; dieselbe hat also eine Dauer von 2 Monaten und 6 Tagen gehabt. Den Erwartungen der Provinz, der Monarchie, welcher sie angehören, und des gesammten übrigen Deutschlands, das seine Augen auf sie gerichtet hielt, haben diese Stände vollkommen entsprochen. Ist in ihrer Mitte auch eine Fraction, die in ihrer besonderen socialen Stellung ein Motiv zur Trennung von den übrigen Ständen gefunden, so sind die Mitglieder derselben – die ritterbürtigen sogenannten „Autonomen“ – doch nicht zahlreich genug, um auf die Gesammtstimmung einen Einfluß zu üben, obgleich sie, da sie stets zusammenhalten, zuweilen da den Ausschlag geben, wo über eine Frage die Versammlung, abgesehen von den Autonomen, in zwei gleiche Hälften getheilt ist. Dagegen hat sich umgekehrt selbst diese aristokratische Fraction dem Einflusse der in den Rheinlanden vorherrschenden politischen Gesinnung nicht ganz entziehen können. Gleich den Tories in England haben die rheinländischen Autonomen zwar eine außerordentliche Scheu vor Neuerungen und Reformen, aber auch einen großen Respect vor dem im Volke lebenden Sinne für Freiheit und Recht. Darum ist es auch vorgekommen, daß dieselben Autonomen, die zum Beispiel gegen den Antrag auf völlige bürgerliche Gleichstellung der Israeliten stimmten, doch fast sämmtlich für die Aufhebung eines kaiserlich französischen Decrets vom Jahre 1808 waren, wonach die jüdischen Kaufleute einer ihre Ehre verletzenden Formalität hinsichtlich einer Bescheinigung, daß sie keinen Wucher treiben, unterworfen sind. Das Gesuch um Aufhebung dieses Decrets, das in Frankreich selbst, für dessen Elsaß es zunächst von Napoleon gegeben war, schon seit dem J. 1818 nicht mehr gilt, ist von 68 gegen 5 Stimmen genehmigt worden, während der allgemeine Antrag auf bürgerliche Gleichstellung der jüdischen mit der christlichen Bevölkerung zwar ebenfalls eine sehr bedeutende Majorität – 54 Stimmen – für sich, aber doch 19 Stimmen gegen sich hatte.

Die verschiedenen Anträge auf Veränderungen der Wahlen zum Landtage, so wie auf Vermehrung der Mitglieder derselben, fanden nicht die nöthige Majorität von zwei Dritteln der Abstimmendem, um sie dem Könige zur Entscheidung vorzulegen. – Ebensowenig wurde der Antrag, daß Se. Majestät gebeten werde, auf die Einführung gemeinsamer Handels- und Wechselgesetze, so wie einer gleichförmigen Handelsgerichtsbarkeit, gestützt auf öffentliches und mündliches Verfahren, in den Zollvereinsstaaten hinzuwirken, genehmigt, dagegen beschloß die Versammlung, die Regierung auf die Uebelstände aufmerksam zu machen, welche aus der sogenannten Musterreiterei der Handlungsreisenden entspringen und Se. Maj. zu bitten: bei den Zollvereinsstaaten dahin zu wirken, daß in der


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: Illustrirte Zeitung, Nr. 7 vom 12. August 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_07.pdf/2&oldid=- (Version vom 13.5.2023)