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Walther Kabel: Im Kugelregen (Reclams Universum, Jahrgang 26)

Im Kugelregen.
Novelle von Walther Kabel.

Frau Käthe Traut schaute Heinz Büding ganz traurig an. „Wenn Sie mich doch nur nicht so quälen wollten, lieber Freund,“ meinte sie leise. „Ich habe Ihnen doch schon einmal gesagt, daß ich mit dem Leben wirklich abgeschlossen, daß ich das Vertrauen, nochmals … eines Mannes Gefährtin sein zu können, verloren habe …“ Und nach einer Weile, als sie keine Antwort erhielt, fuhr sie eindringlicher fort: „Sie kennen ja meine Lebensgeschichte! Und trotzdem wollen Sie es nicht verstehen, daß einer Frau nach einer solchen Ehe, die nur trübe Erinnerungen aufweist, das Herz erstorben sein muß, daß sie wohl noch Freundin, aber nichts weiter mehr sein kann. Und an dieser meiner Erkenntnis werden auch Sie nichts ändern, Sie … lieber Mensch … trotzdem …“

Und dann wandte Frau Käthe plötzlich den schwermütigen Blick von ihm und ließ ihn über den leuchtenden Strand, über die spielenden Kinder und die leichtgekräuselte See in die Ferne gleiten, wo das Meer und der Himmel sich berührten, und die Dünen und der Leuchtturm auf der Spitze der Halbinsel Hela wie eine Fata Morgana in der Luft zu schweben schienen.

„Trotzdem? Frau Käthe, trotzdem? Sprechen Sie doch weiter!“ bat Assessor Büding mit einer Stimme, in der sein ganzes heißes Werben um dieses schöne Weib lag. Da kehrte ihr Blick zu ihm zurück. Und impulsiv streckte sie ihm die Hand hin, während eine leichte Röte ihr jetzt in das blasse Madonnengesichtchen stieg.

„Ja, lieber Freund,“ antwortete sie zögernd und bohrte mit der Linken den Sonnenschirm in den rieselnden Sand, „trotzdem Sie mir … das Festbleiben schwer genug gemacht haben.“

„Käthe!“ wollte er aufjubeln; und er preßte ihre schlanken Finger in seiner braungebrannten Männerfaust, daß sie sie ihm mit einem leichten Wehlaut entzog. In ihre Wangen aber war ein flammendes Rot geflutet und zog sich weiter hinab bis zum Halse, dessen selten schön modellierten Ansatz der hohe Stehkragen der schwarzseidenen Bluse neidisch verdeckte. Und dann rückte sie ein Stück von ihm fort, wie unabsichtlich, nur um sich zu wehren gegen dieses heiße Gefühl, das ihr den Herzschlag stocken ließ.

Heinz Büding, der dieses scheue Flüchten anders deutete, beugte sich weit vor, nahm eine Handvoll Seesand und ließ die weißen Körnchen langsam durch die Finger gleiten, daß sie an dem weißen Beinkleid seines Strandanzugs wie ein Bächlein herabglitten. Er wollte sein Gesicht nicht sehen lassen, das den Kampf in seinem Innern nur zu deutlich widerspiegeln mußte. Da klang’s neben ihm wieder so leise, so bittend:

„Nicht böse sein … nicht böse sein! Wozu müssen Sie uns auch immer das Beisammensein stören durch Ihre Wünsche, die ich … nie erfüllen kann – warum … nehmen Sie das nicht an, was ich Ihnen so gern geben möchte: meine herzlichste Freundschaft!“

Leidenschaftlich, mit einem Blick, der ihr das Blut zum Herzen trieb, kam die Antwort: „Weil ich Sie liebe, Käthe, und diese Liebe neben der Freundschaft nie bestehen wird, nie! Ich habe es Ihnen schon so oft gesagt, daß auch ich Schweres durchgekostet habe, eine aussichtslose Neigung, die einst so himmelstürmend groß war, daß ich glaubte, kein Weib könnte den Vergleich mit dem Einst bestehen! Und doch – dann kamen Sie, Sie mit Ihrer weichen, traurigen Stimme, diesem wehen Zug um den Mund, der so viel verrät … mit diesen Augen, die … nicht nur von einer trüben Vergangenheit

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Im Kugelregen (Reclams Universum, Jahrgang 26). Phillip Reclam jun., Leipzig 1910, Seite 1185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Im_Kugelregen.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)