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Zwey Erfindungen der Menschen kann man wohl als die schweresten ansehen; die der Regierungs- und die der Erziehungskunst nämlich, und doch ist man selbst in ihrer Idee noch streitig.

Von wo fangen wir nun aber an, die menschlichen Anlagen zu entwickeln? Sollen wir von dem rohen, oder von einem schon ausgebildeten Zustande anfangen! Es ist schwer, sich eine Entwickelung aus der Roheit zu denken, (daher ist auch der Begriff des ersten Menschen so schwer) und wir sehen, daß bey einer entwickelung aus einem solchen Zustande, man doch immer wieder in Rohigkeit zurück gefallen ist, und dann erst sich wieder aufs neue aus demselben emporgehoben hat. Auch bey sehr gesitteten Völkern finden wir in den frühesten Nachrichten, die sie uns aufgezeichnet hinterlassen haben, – und wie viele Kultur gehört nicht schon zum Schreiben? so daß man in Rücksicht auf gesittete Menschen, den Anfang der Schreibekunst den Anfang der Welt nennen könnte – Ein starkes Angränzen an Rohigkeit.

Weil die Entwickelung der Naturanlagen bey dem Menschen nicht von selbst geschieht, so ist alle Erziehung – eine Kunst. – Die Natur hat dazu keinen Instinkt in ihn gelegt. – Der Ursprung sowohl, als der Fortgang dieser Kunst, ist entweder mechanisch, ohne Plan, nach gegebenen Umständen geordnet, oder judiciös. Mechanisch entspringt die Erziehungskunst blos bey vorkommenden Gelegenheiten, wo wir erfahren, ob etwas dem Menschen schädlich, oder nützlich sey. Alle Erziehungskunst, die blos mechanisch entspringt, muß sehr viele Fehler und Mängel an sich tragen, weil sie keinen Plan zum Grunde hat. Die

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Immanuel Kant: Über Pädagogik. D. Friedrich Theodor Rink, Königsberg 1803, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Immanuel_Kant_%C3%9Cber_P%C3%A4dagogik_K%C3%B6nigsberg_1803.pdf/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)