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hier, obwohl er bereits denken kann, dennoch in seinem Vergnügen abhängig.

Eines der größten Probleme der Erziehung ist, wie man die Unterwerfung unter den gesetzlichen Zwang mit der Fähigkeit, sich seiner Freyheit zu bedienen, vereinigen könne. Denn Zwang ist nöthig! Wie kultivire ich die Freyheit bei dem Zwange? Ich soll meinen Zögling gewöhnen, einen Zwang seiner Freyheit zu dulden, und soll ihn selbst zugleich anführen, seine Freyheit gut zu gebrauchen. Ohne dies ist alles bloßer Mechanism, und der, der Erziehung Entlassene, weiß sich seiner Freyheit nicht zu bedienen. Er muß früh den unvermeidlichen Widerstand der Gesellschaft fühlen, um die Schwierigkeit, sich selbst zu erhalten, zu entbehren, und zu erwerben, um unabhängig zu seyn, kennen lernen.

Hier muß man folgendes beobachten: 1) daß man das Kind, von der ersten Kindheit an, in allen Stücken frey seyn lasse; (ausgenommen in den Dingen, wo es sich selbst schadet, z. E. wenn es nach einem blanken Messer greift,) wenn es nur nicht auf die Art geschieht, dass es Anderer Freyheit im Wege ist, z. E. wenn es schreyet, oder auf eine allzulaute Art lustig ist, so beschwert es Andere schon. 2) Muß man ihm zeigen, daß es seine Zwecke nicht anders erreichen könne, als nur dadurch, daß es Andere ihre Zwecke auch erreichen lasse, z. E. das man ihm kein Vergnügen mache, wenn es nicht thut, was man will, daß es lernen soll etc. 3) Muß man ihm beweisen, daß man ihm einen Zwang auflegt, der es zum Gebrauche seiner eigenen Freyheit führt, daß man es kultivire, damit es einst frey seyn könne, d. h. nicht

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Immanuel Kant: Über Pädagogik. D. Friedrich Theodor Rink, Königsberg 1803, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Immanuel_Kant_%C3%9Cber_P%C3%A4dagogik_K%C3%B6nigsberg_1803.pdf/27&oldid=- (Version vom 1.8.2018)