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Denn wenn auch große Menschen eine Zeitlang im Besitze einer Macht gewesen sind: so fällt es ihnen sehr schwer, sich geschwinde derselben zu entwöhnen.

Kinder können in der ersten Zeit, ohngefähr in den ersten 3 Monaten, nicht recht sehen. Sie haben zwar die Empfindung vom Lichte, können aber die Gegenstände nicht von einander unterscheiden. Man kann sich davon überzeugen, wenn man ihnen etwas Glänzendes vorhält, so verfolgen sie es nicht mit den Augen[1]. Mit dem Gesichte findet sich auch das Vermögen zu lachen und zu weinen. Wenn das Kind nun in diesem Zustande ist, so schreyt es mit Reflexion, sie sey auch noch so dunkel, als sie wolle. Es meynt dann immer, es sey ihm etwas zu Leide gethan. Rousseau sagt: wenn man einem Kinde, das nur ungefähr sechs Monate alt ist, auf die Hand schlägt: so schreyt es in der Art, als wenn ihm ein Feuerbrand auf die Hand gefallen wäre. Es verbindet hier schon würklich den Begriff einer Beleidigung. Die Eltern


  1. Das Gehör scheint stärker bey Kindern zu würken, und thätiger, daß ich so sage, zu seyn, als das Gesicht. Selbst der beste Gebrauch der Sinne, setzt ein gewisse Kultur voraus, und daher kömmt es denn wohl, daß so viele, selbst erwachsene Leute, zwar Augen haben, aber nicht sehen, Ohren, aber nicht hören, u. s. w. Die Ursache liegt wohl nur im Mangel an Achtsamkeit, und dieser ist immer größer, je geringer die Kultur ist. Mit der ersten Weckung jener, wird der Grund zu dieser gelegt, aber die letztere wird dann die Bedingung der ersten. Es wäre dies ein Thema, der weitern Ausführung werth; nur hier läßt sich diese nicht geben.
              A. d. H.
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Immanuel Kant: Über Pädagogik. D. Friedrich Theodor Rink, Königsberg 1803, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Immanuel_Kant_%C3%9Cber_P%C3%A4dagogik_K%C3%B6nigsberg_1803.pdf/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)