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als einer, der sie nie angelegt hat. Man könnte denen, die schief gebohren sind, vielleicht helfen, wenn man auf die Seite, wo die Muskeln stärker sind, mehr Gewicht legte. Dies ist aber auch sehr gefährlich: denn welcher Mensch kann das Gleichgewicht ausmachen? Am besten ist, daß das Kind sich selbst übe, und eine Stellung annehme, wenn sie ihm gleich beschwerlich wird, denn alle Maschinen richten hier nichts aus.

Alle dergleiche künstliche Vorrichtungen sind um so nachtheiliger, da sie dem Zwecke der Natur in einem organisirten, vernünftigen Wesen gerade zuwider laufen, dem zufolge ihm die Freyheit bleiben muß, seine Kräfte brauchen zu lernen. Man soll bey der Erziehung nur verhindern, daß Kinder nicht weichlich werden. Abhärtung aber ist das Gegentheil von Weichlichkeit. Man wagt zu viel, wenn man Kinder an alles gewöhnen will. Die Erziehung der Russen geht hierin sehr weit. Es stirbt dabey aber auch eine unglaubliche Zahl von Kindern. Die Angewohnheit ist, ein durch öftere Wiederholung desselben Genusses, oder derselben Handlung, zur Nothwendigkeit gewordener Genuß, oder Handlung. Nichts können sich Kinder leichter angewöhnen, und nichts muß man ihnen also weniger geben, als piquante Sachen, z. E. Toback, Brantwein, und warme Getränke. Die Entwöhnung dessen ist nachher sehr schwer, und anfänglich mit Beschwerden verbunden, weil durch den öftern Genuß eine Veränderung in den Functionen unsers Körpers vorgegangen ist.

Je mehr aber der Angewohnheiten sind, die ein Mensch hat, desto weniger ist er frey und unabhängig.

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Immanuel Kant: Über Pädagogik. D. Friedrich Theodor Rink, Königsberg 1803, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Immanuel_Kant_%C3%9Cber_P%C3%A4dagogik_K%C3%B6nigsberg_1803.pdf/42&oldid=- (Version vom 1.8.2018)