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Walther Kabel: Interessantes aus der Geschichte Marokkos. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 10, S. 223–227

Ausflüge in die Umgegend gestattet wurden. Nachdem sie sich von den ausgestandenen Entbehrungen völlig erholt hatten, wurden sie unter starker Bedeckung nach Fez geleitet.

Dort herrschte damals Muley Ismael, wohl der grausamste aller Sultane, die je über Marokko regiert haben. Noch immer wußten die gefangenen Seeleute nicht, welchem Umstand sie den plötzlichen Umschwung in ihrer Behandlungsweise zu verdanken hatten, da niemand ihnen hierüber Aufschluß geben konnte. Auf ihre Fragen erhielten sie stets dieselbe Antwort: „Auf Befehl des Sultans.“ Schließlich kam der Kapitän, der von dem blutigen Muley Ismael schon manche Schandtat gehört hatte, auf die Vermutung, man habe sie nur deswegen zuletzt so gut verpflegt, um für sie auf dem Sklavenmarkte in Fez einen möglichst hohen Preis herauszuschlagen. Mit recht gemischten Gefühlen sahen die fünfzehn Europäer daher die Kuppeln der Moscheen von Fez vor sich auftauchen.

Zu ihrer freudigen Überraschung nahm der Sultan sie jedoch aufs freundlichste in seinem Palast auf. Von einem griechischen Kaufmann, der des Deutschen mächtig war und den Dolmetscher bei der Unterredung spielte, erfuhren sie dann, daß Muley Ismael erst durch die angeschwemmte Flagge ihres gestrandeten Schiffes die Überzeugung erlangt hatte, es wirklich mit Untertanen des von ihm begeistert verehrten preußischen Königs zu tun zu haben. „Ich liebe euren König wie meinen Bruder,“ ließ er den Seeleuten durch den Dolmetscher sagen. „Sein Ruhm überstrahlt das Abendland wie das Morgenland. Seine Feinde sind meine Feinde. Ich habe allen meinen Schiffsführern schon seit einem Jahre verboten, ein Fahrzeug, das unter der schwarz-weißen Flagge segelt, anzugreifen.“

Zwei Monate blieben Klock und seine Matrosen als Gäste Ismaels in Fez und führten ein wahres Schlaraffenleben. Während dieser Zeit mußte der Kapitän täglich dem Sultan alles, was er nur von Friedrich dem Großen wußte, vornehmlich von dessen Kriegen, erzählen. Da Klock als geborener Holländer in der preußischen Geschichte nicht gerade allzu bewandert war, mußte er, um die Neugier des Fürsten zu befriedigen, den größten Teil seiner Vorträge frei erfinden. Als Seemann

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Walther Kabel: Interessantes aus der Geschichte Marokkos. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 10, S. 223–227. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Interessantes_aus_der_Geschichte_Marokkos.pdf/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)