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Friedrich Krasser: Anti-Syllabus. In: Internationale Bibliothek Heft 3 (1887)

Ob das Ebenbild des Schöpfers, ob der erste Menschensohn
Zum verruchten Brudermörder ward im Paradiese schon –
Ob die Reihenfolge richtig spät’rer Genealogie,
Wo sie lebten, zeugten, starben, gleichsam wie das liebe Vieh –

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Ob zur Sühne fremder Fehler Abraham das Messer schliff,

Um den eig’nen Sohn zu schlachten, opfernd einen Wahnbegriff –
Ob den Loth die eig’nen Töchter zu berauschen so gewusst,
Dass sie sich mit ihm besudelt in verbot’ner Fleischeslust –
Ob in den famosen Schriften Salomonis Dinge stehn,

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Die der Anstand streng verbietet, schwarz auf weiss gedruckt zu seh’n,

Ob am eig’nen Haare zuppelnd hing am Baume Absalon –
Ob die Juden schrecklich stahlen, eh’ sie aus Egypten floh’n,
Und, dieweil den Raub’ durch Moses „Gott“ befohlen und gewollt,
In der Wüste ganz behaglich tanzten um ein Kalb von Gold –

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Ob Jehova, der Gerechte, Pharao’n mit seinem Heer,

Weil sie flugs den Räubern folgten, hat ersäuft im rothen Meer –
Ob der Simson die Philister mit dem Eselskinn erschlug –
Ob Rebekka ihren Sprössling unterrichtet im Betrug,
Bis er seinen blinden Vater also hinter’s Licht geführt,

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Dass er seinen Bruder Esau um die Erstgeburt geschnürt –

Ob Jehova dann zum Lohne für das sündige Geprell
Ihn ernannt zum Stammesvater seines Volkes Israel –
Ob die Schwalbe dem Tobias wirklich hat ins Aug’ gedruckt –
Ob der Wallfisch den verschlung’nen Jonas wieder ausgespuckt –

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Ob Maria erst empfangen, dann den Jesussohn gebar,

Und dabei doch eine reine, unbefleckte Jungfrau war –
Ob sie sich darnach gereinigt, wie es in der Bibel steht,
Was bei andern Erdentöchtern im Verborg’nen vor sich geht –
Ob der Heiland uns’re Sünden so getilgt vor Gottes Thron,

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Dass von allem Fluch gereinigt glänzt die – Inquisition

Ob er wohl sein erstes Wunder gar so trefflich angebracht,
Wie er den besoff’nen Juden hat aus Wasser Wein gemacht –
Ob er wirklich Staub genommen in die Hand und drein „gespützt“
Und dem Blindgebor’nen solche Wundersalbe viel genützt –

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Ob die Teufel wirklich fuhren, seinem Willen unterthan,

In die Gergeneser Säue, die sich dessen nicht versah’n –
Ob das Weiblein, das zwölf Jahre an der Mutterblutung litt,
Durch Berührung seines Kleides von der Krankheit wurde quitt –
Ob der alte Nikodemus mit dem klügelnden Verstand

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Jugend, wie zum Mutterleibe wiederum die Rückkehr fand –

Ob das uns’re Kinder lernen, wenn sie kaum im zehnten Jahr –
Ob sie alles das begreifen, zweifellos und sonnenklar –
Ob ein solcher patentirter Adamitenunterricht
Ihre Sittlichkeit befördert oder ihr den Nacken bricht –

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Nun, ihr Priester, „Volkserzieher“, – unbeschadet eurer Huld –

Dazu braucht’s von uns’rer Seite übermenschlicher Geduld,
Blinder Glaube, den ihr fordert als gebührenden Tribut,
Nun, das wisst ihr selbst am besten, dieser ging ja längst kaput.
Doch das Schlimmste, was die Schule alten Stils den Kindern bot,

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War die Kreuzigung des Geistes, war der Denkgesetze Tod.
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Friedrich Krasser: Anti-Syllabus. In: Internationale Bibliothek Heft 3 (1887). Müller, New York 1887, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Internationale_Bibliothek_(M%C3%BCller,_New_York,_1887-1891)_Heft_03_Seite_15.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)