Seite:Irrende Seelen.pdf/108

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Mein Herzchlag beruhigte sich schnell. Die Gefahr war vorüber. Und doch, welch wertvolle Erkenntnis hatte mir dieser Brief gebracht. Jetzt begriff ich endlich den inneren Zusammenhang all dieser Ereignisse, bei denen Marga eine so bemitleidenswerte Rolle spielte, jetzt wurde mir klar, was jenes von mir belauschte Gespräch zwischen Lautenborn und Schwechten für eine Bedeutung gehabt hatte. Marga war in die Hände von Erpressern geraten und der Schauspieler hierbei der Hauptschuldige. Von ihm mußte auch dieses Schreiben herrühren, einzig und allein von ihm … Arme Marga, wie mußte man dich gefoltert haben, ehe du zum äußersten schrittest, wie sehr …! –

Ich gab dem Kommissar das Blatt zurück.

„Die Handschrift habe ich nie gesehen,“ erklärte ich mit dem Tone, den nur die Wahrheit uns verleiht. „Ich halte diese[1] großen gemalten Buchstaben für absichtlich verstellt,“ fügte ich hinzu.

„Dasselbe nehme ich auch an. Mellschewskis Schrift ist es also nicht?“

Ich zuckte die Achseln. „Das vermag ich nicht zu sagen. Ich habe Lautenborn nur Zahlen und seinen Namen schreiben sehen – auf den Bons beim Spiel.“

„Und doch kann das Schreiben nur von ihm herrühren und sich auf Ihre Spielschulden beziehen,“ meinte er eifrig. „Oder haben Sie eine andere Auffassung von diesem merkwürdigen Brief mit der sonderbaren Adresse?“

Unsere Unterredung wurde jetzt im leichten Plauderton geführt wie ein harmloses Gespräch unter guten Bekannten.


  1. Vorlage: diesen
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/108&oldid=- (Version vom 1.8.2018)